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Wiglaf Droste liest und singt: Bombardiert Belgien

Die Hamburger Morgenpost bezeichnete seine Polemiken treffend als "Diamanten am Schlagring". Die sprachliche Brillanz von Wiglaf Drostes Satiren läßt an Tucholsky denken. Die unverschämte Härte seiner Aussagen brachten Droste viele Angriffe und übel gemeinte Preise ein. Und ein begeistertes Publikum, dass am Montag ohne viele Werbehinweise den Weg ins schnell gefüllte, zeitlos verstaubte Ambiente des Burtscheider Kinos Diana fand.

Droste kann man lesen - etwa in seinen taz-Kolumnen - eigentlich muss man ihn aber hören. Lesend und singend mit dem "Spardosen-Terzett" aus Essen. "In 80 Phrasen um die Welt" so könnte man mit Drostes eigenen Sätzen die Alltags nahen Gegenwartsschilderungen des Wahlberliners titeln. Lärmenden Handwerkern ("früher, länger, lauter") aufs Maul geschaut (und am liebsten auch noch gehaut) hat er mit besonderer Haßliebe. Das junge, weibliche Gespräch am Nebentisch über Zellulitis unterbricht er nach kurzem Grübeln mit dem zen-buddhistischen Einwurf "Es heißt Zellulose". So heißt denn auch das neueste Schriftwerk von Wiglaf Droste "Zen-Buddhismus und Zellulitis" (Kunstmann Verlag, München 1999, 28,- DM).

Harmlos rundlich im abgetragenen Kapuzenpulli - von C&A? - kam er auf die Bühne, um dann mit spitzem Humor auf die in hellster Lachbegeisterung angerückten Fans ("Sie sind albern") loszuschießen. Droste durchschaut den kürzlich verstorbenen "Willi Millosowitsch" als Karnevals-Diktator, pointiert Gottes deutschen Ärger mit seiner französischen Frau und macht immer wieder klar: "In Echt ist ganz anders".

Doch harmlos intellektuelles Schenkelklopfen für die linken End-Dreißiger ist nicht allein angesagt: Das allmähliche Verstummen eines Damenkegelklubs auf der Rückfahrt in den Alltag schnürt genau wie die "Sachliche Romanze" von Kurt Tucholsky das Herz zu. Auch die makabre Titelgeschichte des Abends "Bombardiert Belgien" ist schon längst nicht mehr lustig. Aber wie gesagt, "Belgien und Belgrad" - da gibt es nicht viel Unterschied, so befreien wir halt Kinder (mißbraucht) und Hühner (vergiftet) von dem Fritten fressenden Belgier in einer Parodie des Nato-Angriffs auf Serbien.

Der "Berliner Schriftsteller und Gelegenheitssänger" Wiglaf Droste verteilte seinen bissigen Spott breit: Die "rumänische Wanderwarze" Peter Maffay bekam ihn ebenso ab wie der erklärte Feind Josef Fischer, dem Droste eine Strophe des Diana-Liedes "A candle in the wind" widmete. Kardinal Ratzinger rät er, mit dem guten Beispiel der Selbstkreuzigung voranzugehen.

Zwei Stunden und zwei Zugaben ließen viel Raum für beste und schärfste Satire, Handwerker-Hass ("die Flex ist die Stalinorgel des Handwerkers") und auch noch einige Solo-Einlagen des "Spardosen-Terzetts", die die Wahrheit über Juliane Werdings Conny Kramer kundtun, der bekanntlich beim Zigaretten holen abhanden kam.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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