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Kaleidoskop

Von Günter H. Jekubzik

"Film fällt nicht aus der Wand" - mit diesem häufig beiKaleidoskop gebrauchten Spruch beschreibt sich der Verein sehrtreffend selbst. Einerseits macht dieser Aachener Dachverband einiger"freier Kultur- und Filmorganisationen" öffentlich bekannt,welche Arbeit hinter regionaler Filmkultur steckt. Und er warnt inStellungnahmen sowie mit einem Kontrastprogramm davor, Kinokultur demKartenkauf an der Kasse zu überlassen.

Im Januar 1992 gründeten Vertreter einiger Filmgruppen und ander Aachener Filmszene Interessierte nach monatelangen, zähenVorbesprechungen den eingetragenen Verein "Kaleidoskop - Filmforum inAachen". Alle Beteiligten brachten große Begeisterung fürFilm abseits des kommerziellen Mainstreams auf, eifrige Festivalseherund Filmjournalisten hatten Einblick in internationaleFilmentwicklungen, vom studentischen "Filmstudio" kam Fachwissen inSachen Versicherungen und Vereinswesen hinzu. Vor allem dieErkenntnis, daß die Programme der einzelnen Gruppen fast eineigenes Kino mit täglich zwei Vorführungen bespielenkönnten, motivierte zum gemeinsamen Handeln.

Schnell konnte Kaleidoskop bemerkenswerte Veranstaltungen unterseiner Regie ausführen. Vor allem das Open-Air-Kino ist seit derersten Veranstaltung im September 1992 ein großer Erfolg.Alljährlich vier Abende mit thematisch ausgerichtetenFilmprogrammen haben sich mittlerweile im Aachener Spätsommereingebürgert. (Auch wenn sie als Bestandteil desstädtischen Kultursommers immer mal wieder in denVeröffentlichung vergessen werden.) Besonders mit denatmosphärisch aufgeladenen Kinonächten, die nach Angabender Veranstalter jeweils um die 1000 Zuschauer anziehen, gelingt esKaleidoskop, mit cinematographischem Anspruch ein großesPublikum zu interessieren. "Lichter der Großstadt" hießdie Idee hinter der Open-Air-Ausgabe von 1997, die Stadtansichten ausBerlin, Paris, New York, London aber auch aus Mexiko-City undOuagadougou, der Hauptstadt von BurkinaFaso, brachte.

Dabei ist gerade das mittlerweile im Stadtgarten beheimateteOpen-Air-Kino als Wanderzirkus (mit Projektor und Leinwand aus denBeständen der Mitgliedsvereine) symptomatisch für dieSituation von Kaleidoskop. Von Anfang an stand der Wunsch, diezahlreichen Aktivitäten der Mitglieder in einem Saal zubündeln, zentral. Er erklingt mittlerweile jedoch nur noch ganzleise. Die Ergebnisse einer umfangreichen Suche nach geeignetenObjekten gelangen nie ans Licht der Öffentlichkeit. Anfang desJahres hieß es nun, zuerst soll ein Büro gefundenwerden.

Kaleidoskop nennt sich "bürgeroffen" und möchteFilmkultur für Jedermann zugänglich machen. Diese Haltungzeigt sich auch im "Bürgerfunk", dem Legitimationsfenster beiRadio Aachen, das monatlich eine von Kaleidoskop gestaltete Sendungbringt. Auch das Begleitprogramm zum jährlichen Karlspreis warim Jahr 1994 Sache von Kaleidoskop. Mittlerweile findet es wieder im"kommerziellen" Atlantis statt - ein deutliches Zeichen, daß"nichtkommerziell" kein hinreichendes Kriterium für oder gegengutes Kino ist. Die Beteiligung am "Europäischen FilmfestAachen" in den Jahren 1996 und 97 stellte eine auffälligeKurswende dar: Der Zusammenarbeit mit der Ufa, dem "Reich desBösen" - ermöglicht auch durch eine neue Programmdirektiondes Konzerns - gingen lange Diskussionen voraus. Das Ergebnis (eineHommage zu Patrice Leconte und zu Ingmar Bergman) führte zumAustritt von Harald Mingers und seinem Filmhaus. Der bundesweitbekannte Arbeiter und kompromißloser Kämpfer fürKinokultur veranstaltet immer noch die meisten freien FilmtermineAachen, aber nun wieder komplett in eigenwilliger Eigenregie, was vorallem inhaltlich ein großer Verlust für Kaleidoskopdarstellt.

Zu den Mitgliedern gehören zur Zeit der Verein Film derJugend, das Filmstudio an der RWTH Aachen, der Verein der Freunde undFörderer des Filmstudios, Objektiv, die Volkshochschule und dieStadt Aachen. Zusammen bringen sie im Quartal 40-50Filmvorführungen auf die Leinwand, wobei die reinenKaleidoskop-Veranstaltungen sich bislang immer mit etwas Besonderemauszeichneten: Ein Schmuggler-Melodram, das entsprechend der realenNachkriegssituation im Dreiländereck gedreht wurde. Stummfilmedie von lokalen Musikern begleitet wurden.

Kaleidoskop erhielt 1997 von der Stadt Aachen erstmals eineSockelbetragsförderung von DM 10.000. (Gleichzeitig wurde dieFörderungssumme aus diesem Topf für das Aachener Filmhaushalbiert.) Wichtiger erscheint allerdings, daß diekontinuierlichen Aktivitäten sowie die klaren Forderungen inumgänglich sachlicher Form unter der Vereinsvorsitzenden DorisTalpay den Film im Bewußtsein der Lokalpolitiker verankerthaben. Die Grünen-Fraktion, die mit der SPD eineRegierungskoalition bildet, entsendet bei Bedarf einen (film-)sachkundigen Bürger in den Kulturausschuß. "Die siebtenGunst" - so die bedeutungsvolle Titelzeile der ersten Kaleizette -festigt sich langsam als akzeptierter Anspruch.

Zu den traditionellen Veranstaltungen gehört seit mehr alsfünf Jahren auch das Filmfrühstück: Sonntags bietetKaleidoskop einem kleinem Kreis von circa 50 Personen thematischausgerichtete Frühstücke und Filmgeschichte - allerdingsnur auf Video, was der Veranstaltungstitel verschweigt. Für dieerste Jahreshälfte sind vier Termine mit "Horror im frühenTonfilm" geplant. Zum "Kaleidoskop des Grauens" gehören Dreyers"Vampyr" (1932), Mamoulians "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" (19932) undTourneurs "Cat People" (1942).

Seit dem 1. April 1994 erscheint jedes Quartal die Kaleizette als"Zeitschrift für das nichtkommerzielle Kino in Aachen" unter derRedaktion von Bernhard André. Eine Terminübersicht inPosterform präsentiert die Veranstaltungen der Einzelmitgliederund des Dachverbandes. Aus verschiedenen Interessen undAktivitäten fließen immer wieder fundierte Artikel undFestivalberichte in das 16-seitige Heft ein. So erschließt einesehr informative Artikelreihe von Heiko Fischer und BernhardAndré die Kinogeschichte der Stadt Aachen. Die Kaleizette istals lokale Filmzeitschrift mit Blick in die internationale Filmweltsehr bemerkenswert.

Kaleidoskop will im Prinzip ein kommunales Kino - selbst wenndieser Begriff als "Nicht-Wort" gehandelt und das Konzept auch imVerein als Auslaufmodell erkannt wird. Bislang laufen viele Filmeüber Sponsoring und den Zuschuß der Stadt Aachen.Während bundesweit Stadttheater, Volkshochschulen oder KommunaleKinos Finanzierungsmöglichkeiten weitgehend unabhängig vonöffentlicher Förderung erschließen, erscheint dieFixierung auf das "nichtkommerziell" überkommen.

Ob Kaleidoskop ohne eigenes Kino den Beteiligten noch langeSpaß machen kann? Denkbare Kooperationen, etwa mit dem LudwigMuseum und seinem Multifunktionsraum "space", kamen nicht zustande.Vielleicht auch wegen elitärer Haltungen, die in einem voneinzelnen Mitgliedern geäußerten regionalen Alleinanspruchfür nicht-kommerzielles Kino gipfelten.

Die großen Zukunfts-Perspektiven von Kaleidoskop bleibenfür Außenstehende unklar. Das enormes Maß anehrenamtlicher Mitarbeit der nur circa 20 aktiven Mitglieder in denenorm erfolgreichen ersten Jahren forderte vielleicht zuviel Tribut.Das gesammelte Kinoengagement scheint sich auch im langatmigenDiskussionen aufzureiben. So scheint das Jahr 1998 eine Konzentrationauf Bewährtes zu bringen. Neben dem Open-Air-Kino (Themawahrscheinlich "Sommer-Liebe") und dem Filmfrühstück solldie von rechts heftig angefeindete Ausstellung "Vernichtungskrieg.Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" durch Kaleidoskop mit dreiFilmen (nach den Empfehlungen der Veranstalter) begleitet werden.Auch das diesjährige NRW-Projekt Norwegen kann nach "ViaggioItalia" und einer Niederländisch-Reihe wieder von demDachverband Unterstützung erfahren. Pressesprecher BenediktSmirek meinte in einem Gespräch, die Berührungsängstemit dem kommerziellen Kino seien mittlerweile abgebaut. So seien auchin dieser Richtung neue Aktivitäten denkbar. Ansonsten leistetsich Kaleidoskop weiterhin den Luxus, sich auf diekünstlerischen und kulturellen Aspekte des Films zukonzentrieren.

Kontakt: Kaleidoskop -- Filmforum in Aachen e.V. c/o Doris Talpay,Beginenstraße 1, 52062 Aachen


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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