Shine

Australien 1996 (Shine) Regie Scott Hicks, mit Geoffrey Rush, NoahTaylor, Armin Mueller-Stahl, 105 Min.

Der kleine David ist ein Genie, dem der Wahnsinn bereits auf denhängenden Schultern sitzt. Oder treibt ihn der autoritäreVater dorthin? Nur noch etwas Zucht und Unterdrückung vomprügelnden Vater, noch wenig mehr Druck, den nächstenMusikwettbewerb gewinnen zu müssen, dann wird David schonzusammenbrechen, in dieser gräulich lieblosen Umgebung.

Regisseur Scott Hicks erzählt Davids Kindheit und seinspäteres Verirren in Rückblenden. Gleich zu Beginnschleudert der Schattenriß eines Gesichts seine Satzfetzen inunglaublichem Tempo heraus. Ein unaufhörlicher Redeflußkann sich kaum verständlich machen. Das Dauerplappern bildetDavids Wand gegen die Welt. Wie es in David aussieht, sollenAufnahmen in Zeitlupe sinnlich machen.

Eigentlich ist David Gotthelf das Produkt einer viel älterenGeschichte. Der Geschichte seines Vaters, aus der dieser nichtherauskommt. Die jüdischen Gotthelfs stammen aus Polen, dieEltern und Geschwister des Vaters starben durch Nazis. AlsGegenreaktion auf die Zerstörung seiner Familie setzt VaterGotthelf die Diktatur des Familienwahns ein. Sein Sohn sollHärte zeigen und "immer gewinnen". Als sich der Erfolg desjungen Pianisten einstellt, darf David nicht den Kreis der armenFamilie verlassen, um eines der Auslandsstipendien anzunehmen. DavidGotthelfs ist ein glücklicher Mensch - auf Befehl seines Vaters.Beim ersten großen Preis wacht dieser wie ein Gott oben in denKulissen.

Doch es gibt Hoffnung, der unsichere, linkische Junge gewinnt -mit Hilfe einer sowjetischen Schriftstellerin - den Mut zumWiderstand. Er reist nach London, gönnt sich ein paarGläser sowie einige Züge des freien Studentenlebens undmacht sich an das gewaltige 3. Klavierkonzert Rachmaninows, vor demihm sein Klavierlehrer allerdings immer warnte ...

Im Vergleich zu den "Musikfilmen" der letzten Jahre("32Variationen über Glenn Gould","Mr. Hollands Opus")fällt auf, wie wenig Musikfilm "Shine" ist: Zwar spielt das 3.Klavierkonzert eine entscheidende Rolle, doch nie wird richtig klar,weshalb es so bedrohlich wirken kann. Auch findet kein Versuch statt,Musik durch Film zu vermitteln. "Shine" erzählt "nach einerwahren Geschichte" (wen kümmert's, der Film ist wahrhaftig, daszählt) einen Teil des bemerkenswerten Lebens des AustraliersDavid Gotthelf. Doch eigentlich spielt Armin Mueller-Stahl dieHauptrolle. Um ihn dreht sich alles, der Sohn reagiert nur und kannden Vater nie abschütteln. Sogar der Wahnsinn Davids spricht mitdem gleichen Duktus wie AMS. Derweil spielen die Finger desVerstörten weiter und manchmal taucht aus einem kleinenHüpfer kurz das nie geduldete Kind auf.

"Shine" ist Oscar-Kandidat für Originaldrehbuch, den Film,die Regie, den Schnitt, die dramatische Filmmusik, die männlicheHauptrolle und besten Armin Mueller-Stahl in einer Nebenrolle. Derdeutsche Schauspieler spielt wieder nur eine Variation seinesStandardtypus: Den versteinerten Alten mit der heiser, kratzigenStimme, den Wiederholungen von Satzfetzen, dem preußischenBefehlston. AMS zeigte sich zuletzt unter eigener Regie in dem "nichtdurchdrungenen" (Filmbewertungsstelle)"Gespräch mitdem Biest". Er gab den 103-jährigen Hitler, gemäßPresseagentur, der Mann, der AMS ein Leben lang verfolgte.

Das Grau des gotthelfschen Familienlebens erinnert sehr stark anSchlöndorffs "Tod eines Handlungsreisenden" mit Dustin Hoffman,der damals die tragische Stärke vorspielte, die nurSchwäche versteckt. Im hoffnungsvollen Feel-Good-Finale von"Shine" fällt das morbide Schlußbild auf: David und seineFrau Gillian entfernen sich in einem weiten Feld aus Grabsteinen.Kommt hier nochmals der Hololcaust als Grund allen Wahnsinns insBild?


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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