Shandurai und der Klavierspieler

Italien, Großbritannien 1998 (Besieged, L' Assedio) Regie: Bernardo Bertolucci mit Thandie Newton, David Thewlis, Claudio Santamaria, John C. Ojwang (als Sänger), Cyril Nri 94 Min. FSK ab 6

Bernardo Bertolucci gehört zu den bekannten Regisseuren, deren Meisterwerke das aktuelle Schaffen überstrahlen: "Der Himmel über der Wüste" (1990), "Der letzte Kaiser" (1987), "1900" (1976) und vor allem "Der letzte Tango in Paris" (1972, am 9.Mai im Apollo zu sehen) verbindet man mit dem Italiener, der nebenbei auch die Story schrieb zu "Spiel mir das Lied vom Tod"! Der 65-Jährige kann aber immer noch mit frischen, bewegenden Dramen überraschen.

Unter einem Lied, in kurzen, teilweise dokumentarischen Szenen wird anfangs eine afrikanische Diktatur skizziert. In einem sehr starken, ergreifenden Moment erleben wir die Verhaftung eines Lehrers und das Entsetzen seiner Frau Shandurai. Nach einem harten Schnitt finden wir sie als Medizinstudentin und Dienstmädchen in einem Kellerzimmer in Rom. Sie kümmert sich um den Pianisten Mr. Kinsky, der seinen Stadtpalast geerbt hat. Es sind zwei Welten, durch mehrere Etagen voneinander getrennt und durch einen Lastenaufzug miteinander verbunden, der anfangs die Botschaften aufnimmt. Denn Shandurai und der Klavierspieler gehen ohne viele Worte miteinander um, er blickt ihr allerdings immer öfter hinterher und gesteht in einem dramatischen Moment seine Liebe. Doch sie verweist auf ihren inhaftierten Ehemann ...

"Shandurai und der Klavierspieler" konzentriert sich teilweise auf ein Kammerspiel zweier Personen wie im "Letzten Tango in Paris". Nur diesmal spielt Bertolucci in einem markanten Palast in Rom, direkt an der Piazza di Spagna, mit Distanz, mit Blicken, mit Kamera und Schnitt. So obliegt der elegant und reizvoll fotografierten Ausstattung ein großer Teil der Dramatik. Dem lebendigen Chaos bei der jungen Medizinstudentin mit ihrer afrikanischen Popmusik von Salif Keita oder Papa Wembe steht die exquisite, aber kalte Kunst ums Klavier entgegen. Die erlebt allerdings einen Ausverkauf, alle Bilder, Teppich, Plastiken verschwinden mit und mit aus der Wohnung, der Klavierspieler Kinsky bleibt letztlich beinahe alleine ohne Freunde zurück. Das ist der Preis seines Wandels.

Die Verständigung zwischen Shandurai und dem Klavierspieler, erfolgt über die Musik: Die Afrikanerin versteht sein Klavierspiel nicht, er interessiert sich erst allmählich in einer Emigranten-Kirche für die afrikanischen Rhythmen und schreibt schließlich eine verbindende Komposition. In einem ironischen Moment darf Shandurai zu "My Favorite Things" die Treppenstufen schrubben. Überhaupt nimmt das Treppenhaus bei den sorgfältigen architektonischen Durch- und Einblicke, bei den Schattenspielen und bei der bewegten Handkamera draußen, eine Hauptrolle ein. Das bauliche und metaphorische Verbindungselement zeigt auch, dass dieses ruhig inszenierte und feine Spiel der Anziehungen nicht allein mit stierem Blick auf die Figuren genossen werden kann.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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