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Romance X

Fr 1999 (Romance X) Regie Catherine Breillat, 95 Min.

Als kleiner Skandal wurde er in der frankophonen Presse besprochen, ein Verweis auf Oshimas "Im Reich der Sinne" blieb nicht aus. Doch ist sie wirklich so tabubrechend, die Suche Maries nach sich selbst, nach ihren Leidenschaften, ihren Grenzen?

Eine Träne zeigt es vor den Gesprächen und Erklärungen: Marie (Caroline Ducey) ist frustriert und unglücklich. Das gutaussehende Fotomodell Paul liebt sie, aber nicht im Bett. Nach fruchtlosen Wortwechseln und Stimulationsversuchen an seinem Schwanz, verläßt die verzweifelte Marie das gemeinsame Bett und sucht sich einen anderen Mann. Pauls Verweigerung hat keine physischen Gründe - er will einfach nicht. Vielleicht befürchtet er, die klinisch weiße Wohnung könnte Flecken bekommen. Marie konjugiert als Lehrerin die Möglichkeiten von "sein" und "haben" durch und meint entschlossen, sie will nur noch haben ... Etwa Paolo, der gekonnt leidenschaftlich mit ihr schläft. (Der Darsteller Rocco Siffredi hat immerhin genug Porno-Erfahrung.) Auch ein paar Fesselspiele hätte sie gerne, dann noch schnellen, aufregenden Sex mit einer Straßenbegegnung arabischer Herkunft. Diese Geschichte endet gewalttätig, aber so schmerzhaft ist es ja öfter, wenn frau/mann Grenzen austestet.

Die lange Suche nach körperlicher Erfüllung endet mit einem Mini-Quickie Pauls, der wundersamerweise doch schwängert. Nun ist noch ein heftiges gynäkologisches Gruppen-Untersuchen zu ertragen, bevor der Film in einem überraschenden Tempo dem plötzlich auch noch untreuen Paul ein Ende macht. Ihm zum Trost hören wir noch beim fast surrealistischen Begräbnis, daß sein Sohn auch Paul heißen wird.

In Besprechungen zu "Romance" - und zum Werk von Catherine Breillat - wird immer die weibliche Sicht betont und auch Marie macht sich in ihrem Off Gedanken zur Pornographie. Tatsächlich stöhnt Paolo mehr als Maria, aber dieser Film ist ja überhaupt nicht pornographisch, er ist nur überraschend unverhüllt, läßt sein Thema nicht mit unsinnig vorgehaltenen Bettlaken herumlaufen.

Ist es eine Romanze oder ihr Gegenteil wie das kräftig rote "X" quer über dem Originaltitel suggeriert? Sexualität wurde nicht verführerisch schöngefärbt und ist vor allem problematisch. Im Gegensatz zum im Namen eines Restaurants zitierten "Tampopo", erweist sich alles als freudlos. Die Grundlage der "Liebe" zwischen Maria und Paul ist nicht zu entdecken. Die Erkundungen Maries sind getrieben, machen aber nie glücklich. Einige Szenen sind unbequem, in ihnen vor allem zeigt sich der Reichtum an Gesten und Nuancen der Hauptdarstellerin Caroline Ducey.

Der Film mit persönlichem Stil zeigt, Catherine Breillat ist Autoren-Filmerin. Sogar über den üblichen Wortsinn hinaus: Mit sechs Büchern und sieben Filmen konnte sie bisher Aufmerksamkeit erregen. Für die Autorin, Drehbuchschreiberin (mit Fellini "E la nave va") und Regisseurin Breillat ist Pornographie im Kino die Reduktion auf den Blick des Mannes, die Ausstellung des Körpers wie in der Auslage einer Fleischerei, der Ausschluß des Menschlichen wie Seelischen aus dem Blickfeld. Das Festival von Rottterdam zeigte 1999 eine Breillat-Werkschau. Ihre bekanntesten Filme sind "36 Filette" und "Sale comme un ange".


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik