Die Reise des jungen Che

USA/BRD 2003 (The Motorcycle Diaries) Regie: Walter Salles mit Gael García Bernal, Rodrigo De la Serna, Mia Maestro 126 Min. FSK ab 6

Welch eine Runderneuerung des guten, alten Revoluzzers Che: Früher hingen seine Poster in den WGs, jetzt werden sich die Mädels und Jungs Gael García Bernal an die Wand pinnen. Der Mexikaner mit dem umwerfenden Sexappeal spielt den jungen Ernesto Guevara de la Serna auf einer atemberaubender Reise durch den südamerikanischen Kontinent.

Im Jahre 1952 macht sich der 23-Jährige Che Guevara mit seinem Freund Alberto Granado und einer voll bepackten Norton 500 in Buenos Aires auf. Über Chile und Peru soll es nach Venezuela gehen, wo Alberto seinen 30. Geburtstag feiern will. Die wohlsituierten Männer besuchen noch Guevaras Verlobte auf der Farm ihrer reichen Eltern. Dann stürzt sich der Film in grandiose Landschaften voller Gefühl, Freiheit, Sehnsucht. Die Kamera fängt atemberaubende Eindrücke ein, berauscht uns mit ganz großem Kino. Wobei solch eine Motorrad-Tour zu dieser Zeit auf diesem Kontinent eher ein lebensgefährlicher Survival-Trip war als ein Abenteuer, wie es sich heutzutage etwa Ewan McGregor leistet. Es geht - oder schiebt - über die Anden im Tiefschnee, man rast auf matschigen Pfaden ungebremst in Kuhherde. Dabei qualmt und leckt die Norton derart, dass man sie nicht mal zum Bäcker um die Ecke schicken möchte.

Anfangs bleibt die Reise ein Vergnügen, vor allem Alberto ist dauernd hinter Frauen her. Doch dann geht das Geld und dem Motorrad die Puste aus. Zu Fuß durchqueren sie die Atacama Wüste, mit kleinen Schwindelgeschichten besorgen sich die Abenteurer Essen, Trinken und ein Dach über dem Kopf. Doch überall finden sie Menschen, die noch viel ärmer dran sind: Vertriebene Bauern, elende Minenarbeiter bringen auf erschreckende Weise die sozialen Ungerechtigkeiten des Kontinents ins Bild - hier dreht Regisseur Salles fast eine zeitlose Dokumentation, denn viel wird sich nicht geändert haben. Die alte Inka-Hauptstadt Perus, Machu Picchu, erzählt auf schmerzliche Weise vom Niedergang der Kultur nach der Kolonialisierung durch die Spanier. Immer stärker meldet sich das soziale Gewissen des Jungen Che Guevara, bis er am Ende als Arzt einer Leprastation in einer bewegenden Wiedergeburt zu dem revolutionären Che wird, zu Kubas Minister, zum Guerilla-Kämpfer, zum Mythos: In einem großartigem symbolischen Akt schwimmt der Asthmakranke zur Leprainsel, überbrückt die Trennung zu den Aussätzigen.

Für Cineasten mag der Name Walter Salles ("Central Station", "Meia Noite, "Hinter der Sonne") als Garant für sagenhaft gutes, atemberaubendes Kino reichen. Nach den Tagebuchnotizen der beiden Reisenden entstand dieses Meisterwerk, das die Herzen ebenso rührt wie das soziale Gewissen, dem Auge wunderbare Weiten bietet, aber die Wahrheit südamerikanischen Lebens nie verrät. Vor allem ist "Die Reise des jungen Che" keine Minute trockene Biographie, da liegt "Die Reise" (auf einem Fahrrad) von Solanas viel näher als Che-Porträts, etwa vom Schweizer Richard Dindo ("Che Chuevara, das bolivianische Tagebuch"). In allen Schattierungen überzeugt Gael García Bernal, der nach "Y tu mamá también", "Amores perros" und "La Mala Educacion" eine weitere Glanzleistung hinlegt. Ein Augen- und Ohrenschmaus, der unmerklich tief im Herzen berührt.

http://www.che.film.de/


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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