Die Reise der Pinguine

Frankreich, USA 2004 (La Marche De L'empereur) Regie: Luc Jaquet 86 Min. FSK o.A.

Riesen-Kaninchen gegen Kaiser-Pinguine! Das wird ein schrecklicher Kampf um die Kino-Hitlisten. Doch in Wahrheit sind auch diese Pinguine eine Kreation des Aardman-Studios, sind Verwandte von Wallace & Gromit. Denn so albern kann kein Wesen in der Natur sein.

Und tatsächlich spricht alles gegen diese Spezies: Sie leben dort, wo es am kältesten ist. Haben ihre Flügel verkümmern lassen, so dass sie nur noch auf dem Eis rumwatscheln können. Wochenlange Wanderungen liegen zwischen ihren Brut- und Nahrungsstätten. Da ist als würde man zig Kilometer zur Arbeit fahren oder weit draußen vor den Städten wohnen - so was macht doch kein vernünftiges Wesen!

Außer dem Kaiserpinguin! So amüsiert und fasziniert diese endlose Karawane watschelnder, von Natur her höchst alberner Tiere. Das Team fand - im Trend von Naturfilmen wie "Deep Blue" oder "Die Zugvögel" - sagenhafte Aufnahmen und ... quasselt sie tot. Hier stammt der Begriff Dokumentarfilm noch unüberhörbar vom Kommentar ab. Es ginge auch ohne, aber wer seinen Bildern nicht traut ...

Es entstand ein unangenehm pädagogisches Märchen: Zwei Sprecher nerven mit erschreckend vermenschlichten Gedanken von Pinguinen. Spieluhren-Musik mit Kinderstimmen gibt es für die großen emotionalen Momente, ein Gedudel wie im Kaufhaus vor der Tiefkühltruhe dazwischen. Da sind die Pinguine angesichts einer dramatisch inszenierten Robe "starr vor Schreck". Die Kälte liegt auf der Lauer." Der Winter "ist wütend" und versucht, "mit eiserner Faust, uns zu erdrücken". Ernst Jünger hätte seine Freude gehabt, an diesem Stahlgewitter der didaktischen Poesie. "Wer wird gewinnen, das Leben oder der Winter?" In diesem Fall die Geschwätzigkeit mit einem K.O.-Sieg über das Bild.

So bestaunt man in den seltenen Sendepausen diese wunderschönen Geschöpfe und wartet auf die Klischees aller Tier- und Eisschollen-Filme, den Kreislauf des Lebens, den mit Tricks inszenierten Spannungsbogen von Trennung und Wiederkehr. Mit einer seltsamen Lust vergisst es der Film nicht, uns jede Viertelstunde mit der ach so grausamen Grausamkeit der Natur das Herz zu brechen.

Dann das Wunder der Geburt und die - ach wie süß - hyperflauschigen Kücken bekommen auch noch eine Kinderstimme. Kuck mal, wer da spricht .... Ja, wer eigentlich? Denn in dieser menschelnden Simplifizierung auf Kernfamilien, Liebesmühen, Treue und Opferwillen für den Nachwuchs fanden sich die rückwärtsgewandten Kreationisten in den USA perfekt wieder: Alles so wie sich ihr Gott das für seine besonders prüde Schöpfung ausgedacht hat. Darwin hatte keine Ahnung und die Erde ist eine Scheibe. Deshalb erklärt sich der Erfolg dieses vielleicht unfreiwillig ideologischen Missgeschicks in den USA nicht über filmische Qualitäten. Dabei können die putzigen Tierchen am wenigsten für solche Irrlehren. Na, Gott sei dank für sie gibt es ja den Treibhaus-Effekt. Da brauchen die armen Viecher demnächst nicht mehr so zu frieren.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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