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Quiz Show

USA 1994, Regie: Robert Redford, 130 Min.

Von Günter H. Jekubzik

In den fünfziger Jahren, als die Fernsehbilder so richtig zulaufen begannen, brachten in den USA die Quiz Shows den TV-Sendernbis zu 50 Millionen Zuschauer. In den letzten Monaten sorgte die"Quiz Show" in amerikanischen Kinos für Furore - währendweltweit der Quiz weiterhin sicherer Quotenbringer ist.

Auch der dritte Spielfilm Robert Redfords setzt sich positiv vomamerikanischen Kinoalltag ab. "Quiz Show", der am 16.Februarbundesweit startet, wirkt manchmal so sympathisch antiquiert wie auchschon "A River Runs Through It" sein letzter, weitatmender Film.

Es ist die Geschichte vom charmanten, gutaussehenden Charles(Ralph Fiennes), Sohn aus der intellektuellen "Königsfamilie"Van Doren: Vater und Onkel sind renommierte Lyriker bzw.Sachbuchautoren. Wie alle Amerikaner in den Fünfzigern istCharles begeistert vom Kandidaten-Wissen der Show "Twenty-One". Diemeisten Fragen könnte er selbst beantworten, so wird seineBewerbung vom Produzenten begeistert angenommen. Durch diesenstrahlenden weißen "Professor" soll der unattraktivejüdische Champ Herbie Stempel (JohnTurturro) abgelöst werden. Mit dem hochgebildetenBüchermenschen Charles und dem populären Fernsehen treffenzwei Welten aufeinander: Als man Charles erstmals einen Betrugvorschlägt, überlegt er ernsthaft, was der Philosoph Kantdazu sagen würde.

Während Erfolgsfilme von heute meist das TV-Wissen jungerLeute ansprechen, ehrt "Quiz Show" (in weiten Zügen) noch einmaldas traditionelle Buchwissen, huldigt der alten Generation der VanDorens, die an Geburtstagen wortwitzig selbstverfaßte Lyrikvorträgt. Die ineinander verschränkten Themen(Vater-Sohn-Konflikt, Mediengesellschaft und Sündenfall derIntelligenz) sind unspektakulär und sorgfältig aufbereitet.Die Meisterschaft des Kameramannes Michael Ballhaus hielt sichbescheiden zurück. Also keine sensationellen Enthüllungen,kein Thriller wie "Die Unbestechlichen", in dem Redford zusammen mitDustin Hoffman den Watergate-Sumpf aufdeckte. Daß der TV-SenderNBC in der großen "Quiz Show", die das Leben seit Lou van Burgja bekanntlich ist, auch Richter zu Gehilfen machte, sollte seitBerlusconi Allgemeinwissen sein.

Voller Bewunderung für Charles Van Doren forscht derStaatsbeamte Dick Goodwin (Rob Morrow) den Betrugs-Gerüchten beider Show "Twenty-One" nach. Trotz eines brillanten Harvard-Examensträumt Dick nur vom Wohlstand - seine Aufrichtigkeit verhindertedie Karriere. Der Jurist lernt jedoch während der energischenErmittlungen, daß eine außerordentliche humanistischeBildung nicht mit ehrenwerter Moral einhergeht. Früh zeigt sichder amerikanische Traum auf Erfolg durch ehrliches Wissen als Farce.Die Intelligenz handelt nicht automatisch moralisch und versucht,ihre Führungsposition mit Bluff und falschem Schein zubewahren.

Der Film "Quiz Show" entstand nach den Memoiren "RememberingAmerica" von Richard N. Goodwin, der nach Ende dieser Geschichte dochnoch Karriere machte, unter anderem als Redenschreiber für JohnF. Kennedy. Die spannende "Quiz Show" konzentriert sich auf ein Dramader Persönlichkeiten, des schwachen Charles van Doren, der alserste Korruption den TV-Titel "Professor" akzeptiert, obwohl er nurDozent ist. Eine andere Entwicklungschance hat er nicht, da dieübermächtige Vater-Generation lorbeer-bekränzt denAufstieg blockiert. So schließt er sich der Revolte desFernsehens an, läßt sich selbst zur künstlichaufpolierten Galionsfigur machen.

Das pathetische Schlußwort des kämpferischen Juristen:"Ich dachte, wir kriegen das Fernsehen, aber das Fernsehen kriegtuns," konnte wohl nur noch Ende der Fünfziger gedacht werden.Ansonsten würde die sorgfältige Argumentation des Films,die angemessene Zeit zur Schilderung von Konflikten vielleicht demMedienskeptiker Neil Postman ("Wir amüsieren uns zu Tode")gefallen. Daß alle Menschen in der "Quiz Show", vor der Kameraund den Bildschirmen, sehr viel wissen, erstaunte wohl auch dieUS-Bevölkerung, der selbst große Bildungslückennachgesagt werden. So läßt sich wohl die unterschiedlicheAufnahme bei Kritik und Publikum erklären: Eine"Postman-Verfilmung" gefällt halt nicht allen. Dabei bietet die"Quiz Show" neben dem berühmten Regisseur Redford nurhervorragende Darsteller an: John Turturro gibt den Deppen, denVerlierer. Martin Scorsese und Barry Levinson haben eindrucksvolleGastrollen. Den tragischen Gewinner Charles spielte Rob Morrow,bekannt als sadistischer deutscher Kommandant Goeth aus "SchindlersListe". Mit der Position eines Kulturkorrespondenten in derpopulären Talk-Sendung "Today Show", die immer live mit einemSchimpansen lief, findet der Sender nach dem Skandal Charles ab.Dessen lockerer Scherz, "Ich hoffe, ihr feuert nicht den Affen",entbehrt in Zeiten der schönen Nachrichten-Sprechpuppen nichteiner bitteren Wahrheit.

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Der Start der "Quiz Show" mit einer großen Show innerhalbder Berlinale, genau einen Tag bevor der Film in die deutschen Kinoskam, war ebenso perfekt inszeniert wie der Film selbst oder dieTäuschungen innerhalb der Fernseh-Shows, die der Filmentblößt. Nur Robert Redford spielte nicht ganz mit undkam nicht nach Berlin, aber mit seiner Regiearbeit hat er bereitseinen ausgezeichneten Job erledigt. "Quiz Show" zeigt, wie denfünfziger Jahren Charles Van Doren (Ralph Fiennes) der neue Starder Quiz Show "Twenty-One" wird. Der alte Champion Herbie Stempel(John Turturro) versagte bei einer unheimlich einfachen Frage, dochmit dem neuen Strahlemann sind alle glücklich: Publikum,Produzenten und vor allem der Sponsor der Werbesendung "Twenty-One".Nur Herbie macht Theater, behauptet, alles sei inszeniert, erhätte die Quizfragen vorher erhalten. Wir wissen zu diesemZeitpunkt bereits, daß der wütende Verlierer recht hat.Eine spätere Anhörung des amerikanischen Kongresses - dieselbe Institution diente McCarthy zur Kommunisten-Hatz -betätigt sogar filmanalytisch die eingeübten Mechanismender Show: Das perfekt getimte Abtupfen von Schweiß, dasvorgetäuschte Stottern, scheinbares Zögern könnenanhand dokumentarischer Aufnahmen enttarnt werden. Trotzdem bleibt esspannend, den Ermittlungen des Juristen Dick zu folgen, denn es gehtin der "Quiz Show" auch um innere Konflikte. Was treibt einenwohlsituierten, intelligenten Menschen, dazu, sich zum manipuliertenRate-Clown zu machen? Die "Quiz Show" verwebt drei großeThemenzüge miteinander: Die Bewunderung und der Neidgegenüber der "Intelligenz" des alten Schlages. Die Frage, obmit solch humanistischer Bildung auch "anständiges" Handelneinhergeht und der Wertewandel, der durch das Fernsehen erzeugt wird.Zwischen Vater-Uniprofessor-Autor Van Doren und seinemverwöhnten Sohn bricht stellvertretend eine Kluft auf. "QuizShow" ist ein exzellenter, dichter, intelligenter und fesselnderFilm, bei dem alles stimmt. Die historische Ausstattung ist ebensoperfekt wie das Schauspiel der hervorragenden Darsteller. Ein auch inseiner konzentriert ruhigen Art aus dem Kinoalltag herausragendesMeisterwerk von Robert Redford.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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