ghj-logo

Interview Hans-Christian Schmid

Seit Donnerstag läuft der deutsche Hacker-Thriller "23" in den Kinos. Die ersten Zuschauerzahlen machten den Verleiher zufrieden, der Hauptdarsteller August Diehl erhielt am Freitag für seine erste Rolle direkt den Bayerischen Filmpreis als Bester Nachwuchsdarsteller, erste Vorstellung waren ausverkauft: Gründe genug für den 1965 in Altötting geborenen Regisseur Hans-Christian Schmid, seinen Auftritten bei einer Kinotour durch Deutschland locker entgegenzublicken. Günter H. Jekubzik sprach mit dem Mann, der "23" machte.

"23" erzählt vom legendären Computer-Hacker Karl Koch, der am 23. Mai 1989 im Alter von 23 Jahren eines nie ganz geklärten Todes starb. Karl Koch beschäftigte sich bis zur Paranoia mit den politischen Ereignissen der Achtziger, wie atomares Wettrüsten, Tschernobyl, Waldsterben usw. Wie wichtig ist Schmid das Zeitgeschehen, das selten so prägnant im deutschen Kino zu sehen war? "Zuerst war es ein großes Handikap, daß der Film in den Achtzigern spielt. Einige Leute sagten, versucht doch mal, die Handlung in die Gegenwart zu legen. Dann konnten wir den Film einige Jahre nicht produzieren und sind jetzt zufällig in eine Achtziger-Revival gerutscht. Aber die historischen Hintergründe sind nicht des Selbstzwecks wegen wichtig, sondern weil sie für Karl Koch im Mittelpunkt der Ereignisse so bedeutsam sind. Er ist mit seinem politischen Engagement eine typische Figur der Achtziger, erlebt aber auch ein Einzelschicksal."

Schmids letzter Kinofilm "Nach fünf im Urwald" war eine frische Familienkomödie, "23" ist eher düster. Was eint seine Kinofilme? "Es sind beides Geschichten, die in Hannover, in der Provinz spielen. Sie erzählen von der Ablösung vom Elternhaus, davon, wie man einen eigenen Platz im Leben findet. Es gibt in beiden Filmen eine entscheidende Ohrfeige vom Vater," aber das bemerkte Schmid erst nachträglich.

Der trotzdem vorhandene Humor, ohne den Schmid keine Filme machen möchte, kommt aus der Zusammenarbeit mit Michael Gutmann. Die beiden schreiben zusammen für ihre jeweiligen Filme, haben auch das Buch zu "23" verfaßt, in dem viele Materialien und Interviews zum Fall Koch gesammelt sind. Es ist nicht das übliche Buch zum Film, eher "Buch neben dem Film". Zur Zeit ist Hans-Christian Schmid noch als Koautor für Michael Gutmanns nächstes Fernsehspiel beschäftigt, dann würde er gern fürs Kino "ein Stück in der deutschen Wirklichkeit ansiedeln". Im der Art von französischen Filmen wie "Das Traumleben der Engel" oder "Haß", wobei ihm der letztere zu sehr vom Stil bestimmt ist. "Wenn man im Kino bestehen will, ist es schon gut, wenn man dem Kino gewisse Schauwerte gibt." Allerdings dürften sie nicht kalkuliert, dürften kein Selbstzweck sein, meint der vom Dokumentarfilm kommende Schmid, den ein genauer Blick aufs Alltägliche auszeichnet.

Die mysteriösen Ereignisse um den angeblichen Selbstmord des Tron genannten Hackers im vergangenen November hat Schmid direkt verfolgt. Mit Zynismus, meint der Filmemacher, dem man diese Eigenschaft eher nicht zutraut, könne man den Tod von Boris Floricic als ideale Werbekampagne für "23" bezeichnen. Zu sehr ähneln sich die Fälle, doch bei Tron glaubt Schmid an Mord, während er bei Karl Koch eher Selbstmord vermutet.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch
Ein Service von
arena internet service
FILMtabs-Logo