Greenaway Retrospektive

Trilogie des männlichen Niedergangs

Die seit 1961 entstandenen kurzen Werke Greenaways zeigen schon inihren Titeln wie "Goole by Numbers" oder "1-100" eineBeschäftigung mit immer wiederkehrenden Themen. Folgen hatteaber vor allem sein Ausflug zum 'Non-Narrative-Cinema', dembewußt auf das Erzählen von Geschichten verzichtendenFilm. Dabei entwickelte Fähigkeiten, nur mit Strukturen zuinteressieren und mit allgemein gültigeren Systemen wie zumBeispiel Zahlen oder dem Alphabet zu arbeiten, kommen den aktuellenWerken zu gute, die weit mehr vermögen, als nur Geschichten zuerzählen. Diese Tätigkeit überläßtGreenaway dann auch den KollegInnen, die "keine Augen, oder dieHände hinter dem Rücken verbunden haben".

Mehr oder weniger mit dem Schicksal der Blindheit geschlagen istauch der Protagonist im "Kontrakt des Zeichners", dem ersten derenzyklopädischen Kunstwerke des ausgebildeten Malers Greenaway.Der Zeichner des Films geht am Ende des 17.Jahrhunderts einenpikanten Vertrag mit adeligen Frauen ein und wird Opfer einerVerschwörung derselben. Die Rahmen um zu zeichnende Gebäudeoder Landschaften müssen einfach jeden an Kameraausschnitteerinnern, ebenso wie die Schwierigkeit, das festzuhaltende Lebenkontrollieren zu können. Hauptthema ist jedoch Impotenz undFruchtbarkeit, wort-wörtlich angefangen bei den verschiedenstenund nie bedeutungslosen Früchten bis zu dem Ausgangs- undEndpunkt aller Rätsel, der Nachwuchssorge eines sterilen Adels.

Fruchtbarkeit und Tod greift das nach "ZOO"dritte Werk des britischen 'Autorenfilmers', "Der Bauch desArchitekten", schon im Vorspann auf. Der Architekt und seine Frauzeugen ein Kind, während ihr Zug bei einem Friedhof die Grenzenach Italien überquert. Neun Film-Monate später gibt eszwei Geburten, eine typisch weibliche und die männlich-geistigeeiner Kunstausstellung. In der dazwischen liegenden Zeit entsprichtder symetrische Bildaufbau Greenaways dem hoffnungslosen Wunsch, dasWuchern eines chaotischen Lebens zu gliedern. Denn im Bauch desArchitekten wächst ein Geschwür, das ihn gleichzeitig mitder doppelten Geburt in den Tod stürzen läßt. Nochwährend des Falls klammert er sich an eineGesetzmäßigkeit, auf die noch Verlaß ist, dieNewtonsche.

Das unnatürliche Sterben von schwachen Männern -dasTotenverhältnis bei Greenaway ist zehn Männer zu fünfFrauen, wobei erstere alle gewaltsam starben!- setzt sich in der"Verschwörung der Frauen" gesteigert fort. Hier tritt auch einsinnkonstituierendes System, das der Zahlen von 1 bis 100 besondersanschaulich hervor. Während am laufenden Band impotenteMännchen versenkt werden, erfreuen sich vor der LeinwandCineasten daran, alle Ziffern zu entdecken oder Greenaways Filme miteines der hier vorkommenden skurilen Spiele zu vergleichen.

Dergleichen Vergnügen ist bei allen drei Filmen gesichert.Egal, ob nur in den verführerisch schönen Bildern mit deraußergewöhnlich stimmigen Musik geschwelgt wird oder obAugen und Gedanken offen sind für die faszinierendeVielfältigkeit, die Kino bieten kann.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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