Nirgendwo in Afrika

BRD 2001 (Nirgendwo in Afrika) Regie Caroline Link Mit Juliane Köhler, Merab Ninidze, Matthias Habich 140 Min.

Nach dem Überraschungserfolg "Jenseits der Stille" und der Auftragsarbeit "Pünktchen und Anton" begeistert Caroline Link mit der ungewöhnlichen, einfühlsamen, packenden, kurz: wunderbaren Geschichte einer deutschen jüdischen Familie in Afrika nach dem autobiografischen Roman von Stefanie Zweig.

1938 flieht die jüdische Familie Redlich aus Oberschlesien in die britische Kolonie Kenia. Der Anwalt Walter Redlich durfte in Deutschland nicht mehr praktizieren und verdient nun als Verwalter einer Farm gerade mal Kost und Logis für seine Frau Jettel und die fünfjährige Tochter Regina. Während Mutter Jettel (Juliane Köhler, die "Nazi-Frau" Jaguar aus "Aimee und Jaguar") den Komfort des bürgerlichen Lebens vermisst, noch von den "Negerkindern" redet, freundet sich das Mädchen schnell mit diesen und den Umständen an. Als die Nachrichten vom den Morden und Plünderungen der Reichskristallnacht im November 1939 auch Kenia erreichen, wird klar, dass sie überlebt haben. Doch die Sorge um die Eltern und Geschwister überwiegt.

"Nirgendwo in Afrika" beschenkt mit schönen Bilder, die intensiv erzählen. Vom Leben in Afrika, dem Sterben in Deutschland, dem ganz anderen Sterben in Dorf der einheimischen Farmhelfer (denen früher das Land gehörte). Man kommt aus dem Staunen über dieses sorgfältig inszenierte Filmkunststück nicht mehr raus. Dass unter den schwierigen Drehbedingungen überhaupt ein Film fertig wurde, ist schon bewundernswert. Dass die Szenerie und die Menschen dann derart echt wirken, ist eine außerordentliche Leistung. Man glaubt ihnen einfach, dass sie dort leben, atmen, arbeiten.

Ohne grobe dramatische Schicksalsschläge wie Löwen oder Unfälle passiert außen und innen sehr viel: Walter meldet sich als Soldat für die Briten. Im britischen Internat erlebt Regina einen anderen Antisemitimus, wenn die Juden beim Vaterunser aus den Reihen treten müssen. Derweil wechseln in der problematischen Ehe die Positionen mit den weltpolitischen Verschiebungen. Aus der verzweifelten Abneigung Jettels wird eine große Begeisterung für das Land. Nach Ende des Krieges vereinen sich die Ehepartner noch einmal in einem Rausch von Frieden und Liebe und Schmerz.

"Nirgendwo in Afrika" arbeitet unauffällig mit Symbolen: Nach dem Fund des gerissenes Rehkitzes bricht der Krieg in Europa aus und die jüdischen Flüchtlinge werden als befeindete Deutsche interniert. In einer anderen Szene liegen die schrecklichen Nachrichten aus Deutschland lang im ungeöffneten Brief auf dem Tisch, während eine Stimme aus dem Off schon vom Tod der Eltern von Walter vorliest. Die außerordentlich gute Kamera von Gernot Roll findet schöne Bildlösungen, ein nächtliches Ritual im Dorf kommt mit dichter, packender Atmosphäre rüber.

Zu den vielen Themen des reichen Films zählt die Frage "Warum werden Juden so gehasst?". Auch die verschiedenen Identitäten der Juden werden auf unterschiedlichen Ebenen bedacht: Ein fast biblische Heuschrecken-Plage verschont so gerade noch die jüdischen Farmer. Schon vorher warf Walter Jettel vor, sie wolle an die "Ägyptischen Fleischtöpfe"

Doch das Wertvollste an "Nirgendwo in Afrika" ist vielleicht seine Mut machende Präsentation offener Lebenswege: Unter anderem erzählt der Film, dass tolerant sein, nicht heißt, zu denken, alle Menschen seien gleich. Jettel lernt schätzen, wie kostbar die Unterschiede der verschiedenen Menschen sind: "Das ist ganz schön anders ..." Im Gegensatz zu Filmen wie "Jenseits von Afrika" bedient "Nirgendwo in Afrika" keine Sehnsucht nach der Ferne, sondern eine Sehnsucht nach dem heimisch sein in der Welt.

Web-Link: http://www.nirgendwoinafrika.de


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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