Nell

USA 1994, Regie: Michael Apted, 115 Min. CinemaScope

Mit "Nell" erhält Kaspar Hauser eine Schwester. Nur dies neue "Wolfsjunge" trieben nicht politische Ränke in die extreme Isolation. Nell (Jodie Foster) lebte mit ihrer vergewaltigten, sprechbehinderten Mutter abgeschieden von jeder Gesellschaft, entwickelte mit einer früh verstorbenen Schwester eine eigene Zwillings-Sprache. Natürlich ist auch dieser "Findling" sofort von großem Interesse für die Wissenschaft. Doch der Einsatz von Landarzt Lovell (Liam Neeson) und der Psychologin Paula Olsen (Natasha Richardson) erlaubt eine behutsame Annäherung.Diese Phase gibt uns als Zuschauern - die wie die Wissenschaftler hinter Spiegelglas oder Videokamera von dem einzigartigen Experiment gefesselt sind - Gelegenheit, "eine große Reinheit und Authentizität" zu erleben: Die ersten Begegnungen in Nells merkwürdig lallender Sprache, beginnendes Verständnis ihrer expressiven Gefühlsregungen.

Dabei wird die selbstüberhebliche Sicht der Aufgeklärten, Nell müsse endlich zum "richtigen Leben" geführt werden, am Ende mit der Behauptung auf den Kopf gestellt, wir brauchten Nell und keineswegs umgekehrt. Inszenatorisch brillant, wird "Nell" sicherlich jeden tief berühren. Die einsam in der Zivilisation Leidenden erfahren Trost von diesem messianischen "Kind der Wildnis". Neben einige Vereinfachungen fällt vor allem die Schluß-Rede vor Gericht unangenehm auf. Diese abgedroschene Hollywood-Routine für Costner, Nicholson & Co. hat mit Authentizität so viel zu tun wie Nell mit Rhetorik.

Jodie Foster produzierte sich mit diesem außerordentlich eindrucksvollen Stück selbst eine heiße Oscar-Chance. Der ausgezeichnete Regisseur Michael Apted (u.a. "Gorky Park", "Halbblut") zeigte seine Vielseitigkeit gerade auf der Berlinale: "Moving the Mountain", seine Dokumentation über die Massaker auf dem "Platz des himmlischen Friedens" ist ebenso spannend wie "Nell".


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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