Mondovino

USA, Frankreich 2004 (Mondovino) Regie: Jonathan Nossiter 137 Min.

Wein-Abgesang

Le vin est mort - Der Wein ist tot! Mit diesem harten Urteil beginnt die faszinierende Dokumentation "Mondovino". Jonathan Nossiter hat tief in ein Glas Wein geschaut, beziehungsweise in die Pansche, die der Zustand des Weines weltweit darstellt. Die zweieinhalb Stunden packender Film (die Cannes-Version wurde fürs Kino auf 137 Minuten verschnitten) kurz gefasst, haben die kalifornischen Weinbauern mit Hilfe von Kritikern und Fachpresse weltweit den Geschmack verwässert. Waren früher in alten Fässern gelagerte Bordeaux-Weine uralter Lagen Spitze in Sachen Toppreise, so erzielen heute gehypte Kalifornier mit dem Vanillegeschmack neuer Eichenfässer auf Auktionen Preise von mehreren Tausend Dollar, Euro oder Yen - pro Flasche!

Heute ist das Napa Valley in Californien ein Paradies aus Weinhängen. Sehr schön zeigte das auch der Spielfilm "Sideways" - nur der war amerikanisch, also parteiisch. Die meisten der dortigen Weinbauern haben nur ein paar Jahre Erfahrung und eine Menge Geld aus Computergeschäften und ähnlich geschmacklosen Bereichen. Doch diesen Mangel präsentieren sie typisch amerikanisch mit großer Geste und viel Geprotzte. Wie wohltuend dagegen die Dame mit gegerbter Haut, die nach dem Tode ihres Mannes eine neue Liebe zu vergessenen Weinberge entdeckte und mit viel Handarbeit besondere Qualitäten pflegt. Und dazwischen immer wieder als Running Gag in diesem spannenden, witzigen und klugen Meisterwerk, der dauernd gestresste und in Bewegung befindliche Makler und Weindoktor, der ein Patentrezept für jedes Problem hat: Mikrooxdation! Da möchte man direkt auf Fruchtsäfte umsteigen, aber wer weiß, was hinter den Kulissen von Onkel Dittmeier und Co los ist.

Neben alten Fässern lassen auch alte, kauzige Franzosen ihre Weisheiten verströmen, schleimige Manager sorgen dafür, dass Wein aus den verschiedensten Ländern und Lagen gleich schmeckt - wie die Hamburger von McDonalds. Besonders schön, wie diese urige Knollennase erzählt, Gerard Depardieu hätten sie ja ein paar Hektar für den Weinanbau abgegeben. Und auch der Bürgermeister sei dafür gewesen. Doch dann stellte sich heraus, dass Depardieu - der mittlerweile tatsächlich Wein unter seinem Namen verkauft - nur ein Strohmann für die Amerikaner war. Nun hat auch der Bürgermeister Probleme ...

Nossiter erzählt wie ein reifer Michael Moore mit viel Geschmack: Witzig in Bild, Schnitt und Aussage, wird die Globalisierung des Weins vorgeführt. Dagegen stehen Lebensweisheiten, die auch Wodka-Trinker begeistern. Schon im Spielfilm "Signs and Wonders" arbeitete der Amerikaner mit Digi-Kamera, nun sind die Bilder digital märchenhaft, was spontan hin und her-gerissen scheint, erweist sich als kluge und vielschichtige Form.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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