Million Dollar Baby

USA 2004 Regie: Clint Eastwood mit Clint Eastwood, Hilary Swank, Morgan Freeman 132 Min. FSK ab 12

Wer mit Clint Eastwood immer noch "Dirty Harry" verbindet, hat jetzt eine mit mehreren Oscars ausgezeichnete Gelegenheit, Eastwoods Entwicklung zu einem der sensibelsten und kunstfertigsten Regisseure der letzten zwei Jahrzehnte nachzuholen. "Million Dollar Baby" ist mehr tief empfundenes Meisterwerk über intensive zwischenmenschliche Beziehungen als Boxfilm. Und dann - nach "Das Meer in mir" - noch einmal die extrem schwierige Frage über das freiwillige Beenden des Lebens in würdevollen und berührenden Dramatisierung.

Das kann man von einem über 70-jährigen Haudegen erwarten, dass er die Menschen kennt. Jede von Eastwood auf die Leinwand gebrachte Figur ist ein wunderbares Porträt. Der Boxtrainer Frankie Dunn (Clint Eastwood), sein Assistent Eddie (Morgan Freeman) und die Fighterin Maggie Fitzgerald (Hilary Swank, mit Oscar belohnt) sind die ersten Geschenke des Films an sein Publikum. Es ist ein lustiger Laden, der Boxschuppen um den grimmig tuenden alten Frankie mit dem großen Herzen. Zu groß ist es, dass er seinen besten Kämpfer nicht dem brutalen Ring ausliefern will. Der Film, bei dem jeder Handgriff dramaturgisch und psychologisch wichtig ist, handelt oft von Wunden, von der Deckung vor Schicksals-Schlägen und Box-Hieben. Frankie kann die Blutungen seiner Boxer stoppen wie kein anderer, doch die innere Wunde seines Schuldgefühls bleibt offen. Wegen seiner Tochter, die alle sein Briefe zurück schickt, wegen des Auges, das Eddie verlor.

Dann kommt die nicht mehr ganz junge Maggie in Frankies Box-Schule und will partout nicht mehr gehen. Es ist sehr schön anzusehen und mit einem ruhigen, leichten Humor inszeniert, wie er sich lange dagegen wehrt, sie zu trainieren. Rührend, wie sie sich den Boxsack mit haufenweisen Cents zusammenspart und erschütternd, wie sie in einer Minute ihr ganzes beschissenes Leben mit der asozialen Familie und dem lausigen Job zusammenfasst. Die einzige Freude findet sie beim Boxen.

Es hätte ein exzellenter Film über die eindrucksvolle Karriere einer verbissenen Kämpferin aus der Unterschicht sein können, die ihre Gegnerinnen wie ein Wirbelwind in der ersten Minute ausknockt. Über ein besonderes Vater-Tochter-Verhältnis. Doch dann ist da mit einem Schlag (einer ehemaligen Prostituierten aus Ost-Berlin!) dieser letzte Teil, dieser erschütternde andere Kampf mit einem Leben, das nicht mehr lebenswert erscheint. Dadurch richteten sich alle (Oscar-) Scheinwerfer auf "Million Dollar Baby", nicht wegen seiner zahllosen Qualitäten, die es auch verdient hätten.

Etwa der Kamera von Tom Stern mit ihrem fotografisch exzellenten Hell-Dunkel, den Schattenrissen der Trainierenden im Camp. Oder den mit rauer tiefer Stimme erzählten Weisheiten über das Boxen in der Off-Erzählung des Assistenten Eddie (unsynchronisierbar die Originalstimme Morgan Freemans) nach dem Buch von Paul Haggis und einer Geschichte aus ,,Rope Burns" von F.X. Toole. Doch egal - Hauptsache alle sehen, dass es Clint Eastwood nicht mehr um das Austeilen und Einstecken geht, sondern darum, wie Menschen zwischen den Tiefschlägen anständig durch das - und auch aus dem - Leben schreiten.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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