Lost Highway

USA 1996 (Lost Highway) Regie David Lynch, 135 Min.

David Lynch ließ die Filmwelt durch Meisterwerke wie "DerElefantenmensch", "Blue Velvet" oder die Fernsehserie "Twin Peaks"erschaudern. Gleichmaßen provoziert er immer wieder zuBegeisterung und heftiger Ablehnung. Mit seinem ersten Erfolg"Eraserhead", später mit"Wild at Heart" und "Twin Peaks - Der Film". Der neue Lynch "LostHighway" erfüllt alle Erwartungen an einen faszinierenden,andersartigen und verstörenden Film. Ihn nachzuerzählenbleibt schwierig, da der "Lost Highway" nicht von A nach Bführt. Die gleichermaßen mörderische wie mystischeStory dreht sich vielleicht im Kreis, sie könnte aber auch inden Wahnsinn abdriften.

Es beginnt in einem sehr ruhigen Rhythmus, die Hölle derEifersucht zeigt sich nur an den mißtrauisch zusammengezogenenAugenbrauen von Fred Madison (Bill Pullman). Es herrschen kühleNahaufnahmen vor - im Bild wie im Ton, der die Atemzügeaufsaugt. (David Lynch kümmert sich immer besonders um dasSounddesign.) Bald tauchen Videos auf, die das Haus der Madisonszeigen. Erst die Fassade, dann immer tiefer ins Innere. Im Alptraumerscheint Fred ein blasses, altes Gesicht anstelle des seiner FrauRenee.

Zwei Polizisten untersuchen den vermeintlichen Einbruch, stellenseltsame Fragen nach einem weiteren Schlafzimmer und haken bei FredsAbneigung gegenüber Videokameras nach. Zeitweise wird FredsBlick unscharf, dann geht alles ganz schnell: Das dritte Videoläßt im Rausch der Lichtblitze Fred kaum im Blut derermordeten Renee erkennen. Die Fragen der Polizisten, dieVerurteilung zum Tode - Schlag auf Schlag und doch wie im Traum. AlsFred erwacht, beginnen die Kopfschmerzen und Visionen.

Nach einem weiteren Rausch folgt eine andere Welt: Fred ist ausder verschlossenen Todeszelle verschwunden. An seiner Stelle findendie irritierten Wärter Pete (Balthazar Getty). Der junge Mannlebt bei seinen alt-rockigen Eltern, repariert Autos und hat eineanhängliche Freundin. Nach dem sterilen Interieur von Fred undRenee erscheit Petes Umgebung gesund und lebendig.

Doch an der Seite eines generösen und gefährlichenKunden taucht die aufregende Alice auf. Eine Kopie von Renee,wären ihre Haare nicht blond statt schwarz. Pete verfälltAlice und gerät in eine verwirrende Entwicklung, an deren Endeder Film wieder an seinem Anfang ankommt ...

Der neue Lynch ist ein Moebius-Band, eine endlose Schleife, diezwei Seiten einer Story auf einen Filmstreifen transportiert. (Alsoeine verdrehte Schleife, nicht der ewige, nur andeutungsweiseveränderte Kreislauf von"Vor dem Regen".)

Wie schon in "Wild at Heart" rast die nächtliche Straßeunter dem Licht der Autoscheinwerfer hindurch. Der erleuchteteMittelstrich flackert seltsam, liegen hier vielleicht zwei Stricheübereinander? Sicherheit gibt es erst, als sich Fred in Peteverwandelt: Jetzt hat die Straße zwei Mittellinien! Sehrdeutlich spielt die Schizophrenie mit. Ein Partygast verkündet,gleichzeitig in Freds Wohnung zu sein und liefert sofort denzweiseitigen Beweis. Auf Fotos sind Renee und Alice nebeneinander zusehen, dann existiert nur noch Renee im gleichen Bild.

Die Frauen sehen gut und nicht besonders intelligent aus. PatriciaArquette ("True Romance")macht aus Renee und Alice zwei unterschiedlich eindrucksvolleErscheinungen. Bis in die kleinste Nebenrolle ist der Film markantbesetzt. Der Musiker Henry Rollins war sich selbst für eineMinirolle als Gefängniswärter nicht zu schade.

In Hinsicht auf bewußt oder unbewußt gespaltenePersönlichkeiten zeigt sich "Lost Highway" entfernt verwandt mit"Zwielicht" oder "Mord im Spiegel"- formal spielt Lynch allerdings in einer anderen Liga. Der MalerLynch entwarf ein komplexes Kunstwerk mit vielen inneren undäußeren Verweisen. Den Fans wird es ein Vergnügensein, die Bezüge zu anderen Filmen des Lynch'schen Werkes zuspannen. Zu Bob, der Figur des Bösen aus "Twin Peaks", der hierdie Gestalt des Mystery Man annimmt. Zum geheimnisvollen Raum, derhier als Holzhütte in einer Wüste steht.

Am Rande des Highways:

Einer der ersten beiden Polizisten gibt sich als "tone deaf"(taub) zu erkennen. Ein Hinweis, daß Lynch diese Rollevielleicht selber spielen wollte, wie in "Fire walk with me".


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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