Lilja 4-ever

Schweden/Dänemark 2002 (Lilja 4-ever) Regie Lukas Moodysson Oksana Akinschina, Artiom Bugucharskij 109 Min.

Nach den vor allem herzlich-komischen und bei allen kleinen Dramen hoffnungsvollen Publikumserfolgen "Raus aus Amal" und "Zusammen!" zeigt der schwedische Regisseur Lukas Moodysson seine Meisterschaft in der schrecklichen Geschichte einer brutal gebrochenen Kindheit: "Lilja 4-ever"

Die Mutter reist einfach mit einem zwielichtigen Freund in die USA und lässt die 16-jährige Tochter in einem verlassenen Wohnblock irgendwo im Norden Russlands zurück: "Wir holen dich später nach ..." Lilja  glaubt diesen Ausflüchten. Sie hofft, während ihr Leben immer unerträglicher wird. Das Mädchen haust irgendwann in einem verlassenen Wohnblock, wird von Nachbarn und Mitschülern ebenso brutal ausgestoßen. Wobei jede Vorstellung eines "normalen" Lebens an diesen rauen Verhältnissen zerschellt. Nur die Freundschaft zum 11-jährigen Volodya bringt Geborgenheit in die kalten Ruinen bürgerlichen Lebens. Zusammen schnüffeln sie Klebstoff, träumen von einer anderen Welt, die selbstverständlich im Westen liegt.

Für ein klein wenig Konsumglück prostituiert das Mädchen sich. Doch das ist erst der Auftakt eines gnadenlos realistischen Films, der die Kamera nicht von einem tiefen Riss am Rande unserer Wohlstandsgesellschaft nimmt. Bisher waren Geschichten von Lukas Moodysson schmerzlich höchstens durch Sehnsucht oder Melancholie. Jetzt "musste" er einen Film über das Armutsgefälle an den Grenzen Europas und anderswo machen, über den Menschenhandel und sexuelle Zwangsausbeutung.

Auch Lilja lässt sich von einem vermeintlichen Liebhaber naiv als Prostituierte nach Malmö schmuggeln. Dort eingesperrt wird sie vergewaltigt, bis sie ihren schwedischen Freiern jeden Wunsch erfüllt. Zynisch füttert man sie in ihrem Gefängnis mit McDonalds, dem angeblichen Symbol der Freiheit. Lilja kann dieser Hölle nur durch Träumereien entfliehen. Der Film gewährt ihr Momente der Poesie, schenkt den gebrochenen Kindern Flügel. Doch letztendlich kann es keinen Ausweg, kein Happy End geben.

Allein das Zuschauen bei "Lilja 4-Ever" ist unerträglich. Die Vorstellung, dass dieses moderne Sklaventum tausendfach auch bei uns stattfindet, macht furchtbar wütend. Regisseur Moodysson handelt - mit diesem Film. Er hofft, dass "Lilja 4-Ever" das Bewusstsein schärft. Junge Menschen und ihr Erwachsenwerden sind durchgehendes Thema in seinen bisherigen drei Filmen, doch nie war es perspektivlos wie nun. So wie Volodyas Basketball mit Messerstichen die Luft abgelassen wird, verschwindet jede Freude, alles Glück aus diesem Film, der kein Vergnügen aber unendlich wichtig ist.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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