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La vie de Jésus

Fr 1997 (La vie de Jésus) Regie Bruno Dumont, 96 Min.

"La vie de Jésus" erhielt 1997 den Preis als "Bester jungerEuropäischer Film des Jahres", den ehemaligen Felix. SeinSchauplatz ist der Norden Frankreichs, der so viele sozialaufmerksame Filme hervorbringt, etwa "La honneur de ma familie". DieJugendlichen hier sind eigenwillige Köpfe: Kleine Mofa-Heizer,die am Sonntag als Trommler mit derBlaskapelle von Dorf zu Dorf marschieren. Mit ihren frisiertenMofas heizen sie die Dorfstraße hinunter, die Kamera gibt ihneneine Erinnerung an echte Cowboys mit, wenn Freddy die menschleereDorfstraße zu Maries Wohnung entlangschreitet oder wenn dieKamera bei der Abfahrt der wilden Mofa-Reiter stilvoll nach obenschwenkt.. Im Krankenhaus trauern sie zusammen um den an Aidserkrankten Freund - also doch keine ganz abgestumpften Trottel?Schauen wir uns einen von ihnen genauer an: Freddy ist ein blasserHänfling mit ganz kleinen Augen, die im entsetzlichundramatischen Verlauf der Ereignisse immer starrer werden. Dieüppige Körperfülle seiner Mutter vererbte sich inseinem sehr weichen, fast weinerlichen Gesicht. Mit seiner Mutterlebt Freddy in der Kneipe "Au Petit Casino".Freddy leidet unter seine epileptischen Anfällen und denÄrzten, die bei den regelmäßigen Untersuchungen keineBesserung feststellen können. Wochenlang trainiert er einenSingvogel und gewinnt auch beim ersten Wettsingen einen kleinenPokal. Mit der blonden, stillen Marie erlebt Freddy einförmigenSex und ein kleines Glück, ab und zu kommt ein nicht besondersüberzeugtes "Ich liebe dich" über die schmalen Lippen. DieLandschaft ist recht flach, die Ansichten der Menschen auch: AlleLeute vom Fernsehen sind schwul und nur Schwule bekommen Aids. Dazuekelt man auch mal gerne eine arabische Familie beimFrühschoppen aus der Kneipe. Freddys Look wird härter. Diekurzgeschorenen Haare legen einen eigenen, störischen Kopf frei.In der Arbeitslosigkeit tritt sein Machotum deutlich hervor.

Daß Kader, der romantische, höfliche und so unpassendlebendige Araber etwas von Marie will und sie es auch, nachdem Freddymit seinen Kumpeln ein Mädchen vergewaltigte, zuläßt,könnte anderswo eine Episode bleiben, hier muß es zuHaß führen. Weshalb der Film "La vie de Jésus"heißt, fragte auch der Trailer. Ein Judas-Kußläßt sich feststellen, doch ist Marie eine Heilige? IhrKuß verurteilt zwei Männer, ihr "Pardon" ist vielleichtgemeiner als die Tat, zeugt es doch vom Bewußtsein derFolgen.

"La vie de Jésus" ist ein ganz eigener Film. Faszinierendist die trockene Darstellung, das emotionsarme Leben, dieunvergleichliche Stimmung des Films. Auch die Psychologie Freddys istnicht faßbar. Die Frage "Bist du Rassist?" kann sein Handelnnicht erklären. Seine Gründe sind irgendwo tief vergrabenund der Film will sie nicht bloßlegen. Wenn er mit seinem Ende,mit der Katastrophe begonnen hätte, wäre der Blick aufdiese Menschen anders, verengt gewesen. Jetzt bleibt er offen.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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