Ein Licht in meinem Herzen

USA 1996 (Unhook the stars) Regie und Buch Nick Cassavetes, 107Min.

Die alte Dame Gena Rowlands rennt durch die Gegend und schimpft:"Das letzte Mal, wirklich das letzte Mal!" Was meint sie jetzt?Daß sie für ihren Sohn Nick Cassavetes vor der Kamerasteht und ihrer reifen Karriere noch einen weiteren Filmhinzufügt? Nein - sie wird auch noch bei Nicks nächstembemerkenswerten Film "Call it love" eine kleine Rolle (alsunfähige Psychiatrie-Ärztin) übernehmen. Dann schimpftsie jetzt wohl in ihrer Rolle als resolute Mutter Mildred überdie chaotische Tochter, deren Zeitungen sie wieder einmal früham Morgen austrägt. Es herrscht ein äußerstgespanntes Verhältnis zwischen der sorgenden Mildred und ihrer"problematischen" Tochter Andy (Moira Kelly). Irgendwannzerreißt es: Die genervte nervige junge Frau zieht aus.

Doch Mildreds Mutterinstinkt wirft schnell neue Fesseln aus: Einesehr junge Nachbarin (Marisa Tomei), deren Beziehung einigeSchläge und viel Geschrei ertragen muß, bringt ihrenkleinen, verschüchterten Sohn J.J. (Jake Lloyd) vorbei. Siemuß zur Arbeit, bekommt alles nicht mehr geregelt und obMildred vielleicht einen Abend auf J.J. aufpassen könne? Siekann, und wie!

Der Sechsjährige lebt auf, sie haben einen sehr guten Tagzusammen. J.J. bleibt immer öfter bei Mildred und auch diebeiden Frauen gehen mal zusammen aus. Die Seniorin erzählt inder rauhen Bar von alten Zeiten und trinkt als Beweis einige Kerleunter den Tisch. Die Nachbarin Monica bringt ihre neue FreundinMildred ins Leben zurück und schnell zeigt sich einbäriger, französischsprachiger LKW-Fahrer (GérardDepardieu) interessiert.

Der Film entwickelt sich angenehm undramatisch, selbst derprügelnde Vater liefert keine Szene - er bessert sich einfach.(Auch wenn diese "Wandlung" mit einigen Zweifeln behaftet ist.)Allerdings gerät Mildred in eine tiefe Krise, als J.J. wiedernur bei seiner Familie ist. Der Abschied von "Tante" Mildredfällt beiden schwer.

Die Fürsorge ist bewunderswert, sie zeigt sich aber nicht soübermäßig selbstlos wie bei"Marvins Töchter".Mildred ist eine starke Frau, die von ihren Fehlern weiß undauch ein Angebot des erfolgreichen Sohns ablehnen kann. Sieführt ihr eigenes Leben und möchte es nicht aufgeben, umden zukünftigen Enkel in einer Luxusvilla in Los Angelesaufzuziehen. Mit dem Auftritt des schrecklich perfekten undübermäßig geliebten Sohns Ethan wird auch klar,weshalb die Tochter Andy so seltsam ist. Diese abivalentenFamilieneinsichten gewährt Nick Cassavetes liebevoll, diedurchaus heilsame Schärfe von"Familienfestund andere Schwierigkeiten" ist nicht zu spüren.

Nick Cassavetes hatte in dem verstorbenen John Cassavetes einenberühmten und in Filmkreisen verehrten Vater mit vielen, nochimmer sehr bekannten Freunden. Der Erbe inszeniert in seinen erstenFilmen einige bekannte Namen. Mit dem Auftritt von Depardieukönnte man das europäische Autorenkino symbolisiert sehen,daß auch schon John Cassavetes mit seinen amerikanischen Themenverband. Ganz konkret half Depardieu diesem Projekt mit Hilfe einerfranzösischen Produktionsgesellschaft auf die Beine.

Reizvoll an diesen undramatischen Ereignissen sind eine gewisseEhrlichkeit und Spuren von Leben, das so nur selten auf der Leinwandzu sehen ist. Der Erstling von Nick Cassavetes geriet gleich zu einemsehr sympathischen, menschlichen und eigenständigen Meisterwerk.Diese Qualitäten von "Unhook the stars" (so der Originaltitel)dürfen keineswegs mit sentimentalem Kitsch verwechselt werden,den der andere "Star-Film""The evening star"(Jahre der Zärtlichkeit) mit Sherley Maclaine an den Abendlegt.

In Cannes erzählte Cassavetes, diesen Film hätte erhauptsächlich seiner Mutter gewidmet, während dernächste, "Call it Love" eher seinem Vater gilt. Gena Rowlandsspielt klug und frisch, gar nicht wie ein "Star". Als Gansterbraut"Gloria" kümmert sie sich schon vor Jahrzehnten um einen kleinenJungen. Mit dieser mutigen, energischen Rolle prägte sie sichtief ins Gedächtnis der Zuschauer ein. Nun half sie dem - nichtmehr ganz kleinen - Nick bei einem außerordentlichbemerkenswerten Debüt.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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