Kolya

 

Tschechische Republik 1996 (Kolya) Regie Jan Sverak, mit ZdenekSverak, Andrej Chalimon, Libuse Safrankova u.a., 105 Min.

Diesen Film mußte man schon lieben, als sich Jan Sverak,sein Vater (und Drehbuchautor) Zdenek Sverak sowie der kleineDarsteller des Kolya auf der Bühne in L.A. ihren Oscar abholten.Sverak erklärte der kleinen Goldstatue liebevoll, wo in Pragjetzt ihr Zuhause sein werde, und daß sie vielleicht auch maleinen kleinen Bruder bekommen werde.

Ein reifer Mann und ein Kind. Oder eigentlich ist der bärigeFrantisek Louka selbst noch ein Kind. Während derBegräbnismusik geigt er der Sängerin am Hintern herum. Inseiner schönen Dachwohnung gibt er jungen Frauen Nachhilfe,wobei sich nicht nur die Streichinstrumente schnell nahekommen. Kolyabraucht einige dieser kleinen Jobs, nachdem er sich mit gradherzigemGerede aus der staatlichen Philharmonie der Tschechoslowakeikatapultierte. "Wirst du jemals erwachsen?" fragt denn auch eine dervielen Freundinnen des Einzelgängers. Wir schauen noch derVorwende-Ära zu.

Dann treiben die Schulden Louka zu einer kleinen Unaufrichtigkeitmit großen Folgen: Die Scheinehe mit einer Russin bringt zwarharte DM ein, aber als es die junge Frau noch weiter gen Westenzieht, bleibt ihr Sohn zurück. Ein Unding - was soll derEinzelgänger mit einem Kind anfangen? "Kolya" ist fortan dieleichte, wunderbare Geschichte, einer wachsenden Freundschaft.

Es ist nicht die überraschendste Entwicklung, sie verzaubertjedoch durch ihre Inszenierung, das Spiel des großen Mannes,des kleinen Jungens und vieler kerniger tschechischer Typen. Jede derkleinen Alltagsszenen macht erfrischend Spaß. Alle wurden siemit äußerster Sorgfalt inszeniert. Kolyas panikhafte Angstvor einer Rolltreppe ebenso wie der einfache Flug eines Korkens. DieKamera beobachtet mit offenem Auge und Herzen ihre Menschen. "Kolya"ist in seiner Machart so liebevoll wie in seinen Figuren. Und JanSverak erzählt treffend: Da ist erst der angstvolle Blick Loukasim Zug voller Kinder. Dann fliegt er mit dem frisch gekauften Trabantam Zug vorbei, um bald darauf wieder mit einem kleinen Fahrgastbelastet zu sein.

Im Hintergrund des Films bricht die alte Regierung zusammen, dieimmer präsenten und von Loukas Mutter gehaßtensowjetischen Soldaten verschwinden von der Bildfläche.Russisch-tschechische Beziehungen spielen im Politischen und Privateneine Rolle - allerdings ganz im Stil des Films: bescheiden und leise.Immerhin ist der kleine Kolya ja Russe und bei einer der staatlichverordneten Jubelfeiern fallen die ersten Worte zwischen Kolya undLouka: "Unsere Flagge", "Eure Flagge".

Günter H. Jekubzik


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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