Die Kammer
USA 1997 (The Chamber) Regie James Foley, 113 Min.
Willkommen im Süden der USA, dort wo der Rassismus immer nochguten Nährboden findet. Die Dienerschaften sind bevorzugtschwarz und ekelhafte Typen mit weißen Kutten und Kapuzenlaufen unverhaftet auf den Straßen herum. Im Staat Mississippitötete vor 28 Jahren eine Bombe die beiden Kinder einesjüdischen Anwalts, der sich für die Bürgerrechteschwarzer Amerikaner einsetzte. Der Vater verlor beide Beine undbrachte sich später selbst um. Als Täter gefaßt wurdeSam Cayhall (Gene Hackman), ein unbelehrbarer Rassist, der stolz aufseine Serie von Bombenattentaten war. Allerdings behauptete Sam auch,er hätte niemals jemanden umbringen wollen. Nun sitzt SamCayhall in der Todeszelle und es sieht aus, als ob alle juristischenEingaben vergebens waren, das Urteil nach 25 Jahren vollstreckt wird.
Aber Adam Hall (Chris O'Donnell), einjungerAnwalt, drängt sich in die scheinbar hoffnungsloseVerteidigung: Barsch weist ihn Sam zurück, doch der alte Mannerkennt dann schnell, daß sein Enkel vor ihm sitzt.
Familie und die Tradition spielen eine große Rolle in demThriller nach John Grisham. Wieder wühlt sich der Erfolgsautorin das schwierige Gebiet zwischen Recht und Gerechtigkeit ein,diesmal erforscht er zudem die Wurzeln von Haß und Rassismus.Sam Cayhall ist Mitglied im mörderischen undhaßerfüllten Kuklux-Klan - wie schon Vater,Großvater und Urgroßvater es waren. Als kleiner Jungeerlebte er zahlreiche Lynchakte an Afroamerikanern. So steht er nochals alter Mann treu zu seiner "Familie".
Die Urteilsfindung für das Publikum scheint klar zu sein.Doch das Fesselnde an "Der Kammer" (gemeint ist der Hinrichtungsort,eine abgeschlossene Kammer für den Tod durch Vergasung) ist dieKomplexität, mit der Sams Figur von Gene Hackman dargestelltwird. In abgeschwächter, aber ähnlicher Form wie"DeadMan Walking" wird hinter der verachtenswerten Lebens- undGeisteshaltung ein Mensch gezeigt, derzuwenig Liebe erhielt und nie welche geben konnte.
Daß vielleicht ein Unbekannter die Uhr der Bombe gestellthat, interessiert dabei nur am Rande. In den Hintergrund geraten auchpolitische Ränke, die Enthüllungen und die Figur des jungenAnwalts Adam, der sich bewähren, aber vor allem dieVergangenheit seiner Familie erhellen will. Zwischen Sam und Adamfand der Bruch statt: Auch Adams Vater erlebte eine Hinrichtung. Samerschoß im Streit einen schwarzen Angestellten. Doch der Sohndes Rassisten trug lebenslang an seiner Mitschuld. Als Sam nach demBombenanschlag verhaftetet wurde, änderte die ganze Familie ihreNamen. Die Existenz des rassistisch-weißen Schafeserwähnte niemand mehr. Aber mit Adams Verteidigung kommt auchdie Tochter Sams (Faye Dunaway) wieder ans Licht derÖffentlichkeit.
Könnte sich die Familiengeschichte etwa als Parabel fürGeschichte einer Nation sehen verstehen lassen. Einen Bruch imRassismus der Weißen, der allerdings noch eingeklagt werdenmüßte?
Vielleicht werden diejenigen enttäuscht sein, die Spannungüber schnelle Schnitte und rasante Verfolgungen definieren.Dieser Grisham ficht seine Konflikt im fesselnden Countdown bis zumHinrichtungstermin über Gedanken, Gefühle und Gesinnungenaus. Action findet nicht statt und fehlt auch nicht. "Die Kammer"könnte mit seinen Figuren, ihren inneren Kämpfen, denAuseinandersetzungen mit anderen und den Wandlungen ein ganzgroßer Film sein - wenn er nicht ein teuerer Film wäre,der die Star-Maschinerie ebenso bedienen muß, wie auch dieStandard-Dramaturgie und Ikonographie Hollywoods.
Das gelingt Regisseur James Foley ("Reckless", "Auf kurzeDistanz", "After Dark, my Sweet","GlenngarryGlen Ross" und zuletzt"Fear - Wenn LiebeAngst macht") allerdings ausgezeichnet. Das Drehbuch schriebWilliam Goldman, einer der renommiertesten und erfolgreichstenAutoren Hollywoods: Neben zwei Oscars für den Watergate-Thriller"Zwei Banditen" Butch Cassidy und Sundance Kid (1969) und die "DieUnbestechlichen" (1976) kann Goldman zahlreiche Erfolge verbuchen.Auch für den neuen Eastwood"AbsolutePower" schrieb er das Buch.
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