Hudsucker - Der große Sprung
USA 1993 (The Hudsucker Proxy) R: Joel Coen, 113 Min.
Von Günter H. Jekubzik
Die eindrucksvolle Film-Oper "Hudsucker - Der große Sprung" ("The Hudsucker Proxy") ist mit ihrer Geschichte des gutherzigen Naivlings Norville (Tim Robbins), der 1958 rasant zum Konzernchef der Hudsucker-Industries aufsteigt und noch schneller fällt, eine Parodie der Gesellschaftskomödien von Frank Capra, Preston Sturges und Howard Hawks. "Hudsucker" ist spritzig in den Dialogen, rasant gespielt und noch wirbelnder fotografiert. Verrückte Visionen und einzigartige Bildideen der Coen-Brüder Ethan und Joel verbinden sich zu fantastischen Montage-Sequenzen, die zum Beispiel die Entwicklung eines neuen Hudsucker-Produktes interessanter erzählen als andere Film ganze Familientragödien.
Norville Barnes, ein Trottel aus der Provinz und zufällig von der Postabteilung in die 45.Etage des Hudsucker-Konzerns geraten, hält dem Boß die Zeichnung eines Kreises vor die Nase. Dies sei seine Erfindung, hätte ihm viel Arbeit gekostet und sei für Kinder, meint die linkische Hilfskraft, nachdem sie das Blatt 'rumgedreht hat: Der Kreis stand auf dem Kopf. Derart absurd werden noch zweimal aufgemalte Kreise als große Erfindungen angepriesen.Überraschend macht der Intrigant hinter den Hudsucker-Kulissen Sidney J. Mussburger (Paul Newman) das lächerliche Nichts Norville zum großen Chef von Hudsucker-Industries. Denn Firmengründer Waring Hudsucker verabschiedete sich gerade mit einem großen Sprung aus der 44.Etage von seiner Tätigkeit. Jetzt muß eine nicht vertrauenswürdige Marionette an die Konzernspitze, damit die Aktienpreise fallen und Mussburger sich die Anteilsmehrheit sichern kann.
Wie Ethan und Joel Coen diesen Sprung inszenieren, macht den Reiz ihrer vor allem in den Bildern aufsehenerregenden Sensation "Hudsucker" klar: Vorbei an der Reihe alter Vorstands-Herren mit unvergleichlichen Gesichtszügen sprintet der behäbige Hudsucker über einen langen Tisch, springt mit ausgebreiteten Armen ab und läßt uns den scheinbar minutenlangen Fall in einer schwindelerregenden Tricksequenz genießen. Da die jungen Filmemacher schon bei Drehbuch und Storyboard - der gezeichneten Version jeder Szene - ein ungewöhnlich dichtes Werk ausfeilten, wischt sich Waring Hudsucker zusätzlich mitten im Flug die Brille sauber. Klare Sicht für den effektvollen Tod - man stirbt nur einmal.
Trotz aller Verweise auf bekannte Gesellschaftskomödien bestimmen neue Ideen "Hudsucker": Beim ersten Treffen von Norville mit der ruppigen, ehrgeizigen Reporterin Amy Archer übernehmen zwei alte Kneipengäste den Kommentar. Als wären sie kleine Götter (oder Autoren) folgen die Bilder ihren Spekulationen darüber, wie eine Frau halbwegs unauffällig einen Mann anmacht. Sam Raimi, neben Joel und Ethan Coen dritter Autor von "Hudsucker", sehen wir übrigens im Film als angestrengten Kreativen in der Firmen-Denkabteilung. Raimi, der als 2.Regisseur auch die Effekte gestaltete, ist berüchtigt durch seine erfolgreiche "Evil Dead"-Trilogie, in der Kettensägen und Blutbäder den Humor spritzen lassen. Gerade dreht er mit Gene Hackman und Sharon Stone einen Western.
Doch auch sein Einfluß konnte nicht verhindern, daß ein Coen-Film nach so ausgezeichneten Werken wie "Blood Simple", "Arizona Junior", "Miller's Crossing" und dem Cannes-Sieger "Barton Fink" erstmals Durchhänger hat. In der Mitte werden die Ideen dünner, die Handlung läßt die überraschenden Wendungen vermissen. Zum Glück fängt das Finale von "Hudsucker" den Absturz auf und läßt es wieder auf die unnachahmliche Coen-Art abgehen.Tim Robbins ("The Player", "Bob Roberts") erweitert als Norville sein komödiantisches Repertoire um einige Slapsticksszenen. Paul Newman gibt einen großartigen Fiesling und Jennifer Jason Leigh wirbelt wunderbar rauhbeinig und Fausthiebe austeilend durch die Szenen. Ihr Auftritt als Reporterin verspottet die Starken-Frauen-Rollen von Kathreen Hepburn wie unzählige andere Szenen ihren Spaß mit der Filmgeschichte treiben.
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Den Coen-Brüdern Joel und Ethan gelang nach ausgezeichneten Werken wie "Blood Simple", "Arizona Junior", "Miller's Crossing" und dem Cannes-Sieger "Barton Fink" wieder ein außerordentlicher Bildgenuß. Die Geschichte von Norville Barnes (Tim Robbins) als Marionette an der Spitze des Hudsucker-Konzerns ist gespickt mit verrückten Einfällen, tollen Typen und phantasievollen Sequenzen. Robbins, Jennifer Jason Leigh und Paul Newman runden das unkonventionelle Vergnügen ab.
Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik
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