Hautnah

USA 2004 (Closer) Regie: Mike Nichols mit Julia Roberts, Jude Law, Natalie Portman 104 Min. FSK ab 12

Liebe und andere Gemeinheiten

Wie war das noch mal? Man zeigt traurige Gesichter in schönem Licht, damit sich die Zuschauer an dem Elend ergötzen können - alles eine große Lüge sagt Alice dazu in der Fotoausstellung. Alles eine Lüge? Auch der Film? Oder seine Figuren, seine Gefühle? Alles nicht so einfach ...

Scheinbar direkt hintereinander lernt der Schriftsteller Dan (Jude Law) in London zwei Frauen kennen. Bei der amerikanischen Stripperin Alice (Natalie Portman) war es Liebe auf den ersten Blick, bei der spröden Fotografin Anna (Julia Roberts) auf den ersten Klick. Während der gespannten Erotik einer Fotosession wirk klar: Es liegt eine Menge Zeit zwischen diesen, wie auch zwischen den folgenden den Szenen. Sie stammen klar erkennbar aus einem Theaterstück (von Patrick Marber) und sind Gelenke einer mit Körpersäften geschmierten Liebes- und Betrugsmaschinerie, deren nächste Bewegung schwer vorauszusagen ist.

Nachdem die Liebe Dan und Alice wie ein Autounfall anfährt, schrieb der Nachruf-Autor Dan einen Roman über Alice, lebte mit ihr und wurde ihrer bedingungslosen Liebe überdrüssig. Anna sollte nun die nächste sein, doch sie sperrt sich. So hängt der beleidigte Schreiberling per Online-Chat Anna ein ungewolltes Treffen mit dem rau sex-besessenen Dr. Larry (Clive Owen, der noch eine große Karriere vor sich hat) an. Wieder einige Monate später sind Anna und Larry überraschend ein Paar. Alice und Larry, zwei von Dan Verletzte, finden ihre Porträts in der Ausstellung "Strangers" von Anna. Irgendwann werden sie noch mehr zueinander finden. Irgendwie wird jeder mal mit jeder - brav hetero selbstverständlich. Aber das interessiert überhaupt nicht.

Es sind beispielsweise die unterschiedliche Reaktionen der Verletzten, je nach dem ob sie als Frau klagend leiden oder als Mann aggressiv ihren Schmerz raus schreien, die "Hautnah" so ungemein packend machen. Es geht um Zustände des Begehrens, die Ehrlichkeit des Schmerzes, mit den Britpop-Chorknaben der Melancholie, The Smiths, als Hintergrundmelodie.

Das kalte Spiel der Gefühle modernisiert ein paar Kapitel aus den "Gefährliche Liebschaften", niedere Gefühle und die verfeinerte Kunst der Gemeinheit. Da wird eine letzte Intimität zwischen den Scheidenden zum tödlichen Stoß für die neue Liebe der anderen. Da fotografiert die neue Frau die Tränen der Vorgängerin. Und immer weiter wird die Schraube des begehrlichen Gefühlskampfes angedreht. Die Herren liefern sich in geschliffenen Dialogen ein Hahnenkampf, beim dem der Straßenköter den Poeten anpisst und zum Abschied gibt der Doktor dem Unterlegenen noch ein Rezept für den Rest des Lebens mit. Doch der Reigen der Verletzungen ist noch lange nicht ausgestanden.

Auch die Gedanken dieses unter die Haut gehenden "Hautnah" wird man nicht los: Ist die Sucht nach Wahrheit wirklich gesund? Dan beispielsweise hatte alles und steht am Ende ohne Liebe dar, allein bei seinen Toten. Sein gewinnender Charme verkehrt sich faszinierender Wandlung.

Neben einem prickelnden Kuss zwischen den begehrtesten Gesichtern des Hollywoodfilms (Jude Law, Julia Roberts) brilliert "Hautnah" mit exzellentem Bilddesign, sehr markantem Musikeinsatz und vor allem mit dem Buch von Patrick Marber.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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