Harald

BRD 1996. Produktion: Kinowelt Filmproduktion/Jolyon Symonds Productions. Produzent: Thomas Häberle. Regie: Jürgen Egger. Buch: Jürgen Egger. Kamera: Seamus McGarvey. Musik: Manu Kurz. Schnitt: Ueli Christen. Darsteller: Heinrich Schafmeister (Harald), Martina Gedeck (Rica), Ingo Naujoks (Frido), Cay Helmich (Sylvie), Gesche Tebbenhoff (Gudrun), Michael Lerchenberg (Schnippenkötter), Maximilian Wigger (Roger), Michael Gutmann (Elchi), Michael Fitz (Holger), Christian Pätzold (Böblinger), Sönke Wortmann (Gelber Engel), Dieter Wien (Rainer Mario Kress). 92 Min. FSK: ??. Verleih: Kinowelt.

"Guten Morgen - ich bin der Ihnen zugeteilte Außerirdische!" Mit diesen Worten und einem Lächeln auf den Lippen steht Harald vor Ricas Tür. Sein schwarzer Anzug verpaßt die Mode um knapp ein Jahrzehnt, aber sonst wirkt Harald sehr durchschnittlich. Da die lektorierende Autorin gerade mit besonders miesen Science-Fiction-Manuskripten beschäftigt ist, schmeißt sie ihn raus. Doch Haralds freundlich geduldiges Verharren sowie ein außerirdischer Terminkalender bringen beide zusammen. Harald erklärt linkisch, er sei "eher der abenteuerliche Typ" und habe sich deshalb für das halbzivilisierte Deutschland entschieden. Kalifornien wäre sowieso zu überfüllt von Sirius-Touristen mit Standard-Einsteigerkörper, Modelle Bruce und Cindy.

Haralds verblüffende Freundlichkeit basiert auf der einzigen Eigenschaft, die ihn von den Menschen unterscheidet: Harald kann nicht lügen. Er wirkt anfangs wie ein galaktischer Mr. Bean und nistet sich mit seiner Offenherzigkeit als zweiter Mork vom Ork bei der Erdenfrau Rica ein. Die Erkundung von Land und Leuten stellt mit dem naiven Blick des Fremden Alltägliches ungewollt bloß. Besonders Frido, Ricas eifersüchtiger Ex-Freund, erlebt immer neue Überraschungen. Nach einem für beide Seiten lehr- und aufschlußreichen Dreiwochen-Urlaub muß Harald heimkehren - doch im Gegensatz zu "E.T." gibt es ein Wiedersehen.

Harald startet als One-Man-Show mit Slapstick und wilden Körperverrenkungen. Als sich der Außerirdische zunehmend an seinen "Einsteigerkörper in Standardausführung" gewöhnt, verlagert sich die Komik ins Dialogische und Gestische. Das freundliche Nachäffen kehrt beleidigende Fingerzeige schelmisch gegen ihre Benutzer. Prompt retournierte Redewendungen werfen ihren wortwörtlichen Sinn dem verdutzten Anwender an den Kopf. Da ist es sinnvoll, mit unreflektierten Typen wie dem Ruhrpoot-Proleten Frido zu arbeiten, der mit seinem einfachen Schema immer wieder in die deplazierten Freundlichkeiten Haralds hineinrennt. Auch ein geiziger Hausbesitzer oder Ricas verklemmter Verleger bereichern die parodistische Typensammlung.

Die mit 3,5 Millionen DM recht preiswerte Produktion funktioniert mit viel Wortwitz und ganz wenigen Tricks. Die einfachen Sets sind umso ideenreicher ausgestattet. Mr. Spock als Tasse und die Enterprise als Telefon machen zum Beispiel Ricas Wohnung interessant. Am Rande scherzt eine Zeitung mit der Festnahme Möllemanns und der Roman "Das Cyber-Weib" von Linda Herr verspricht auf vielen Plakaten Leseschund.

Eine einfache Nacherzählung der Handlung läßt das Beste an "Harald" vermissen, den reichen Dialogwitz von Jürgen Eggers Buch. Manche Seiten Dialogauszug enthalten mehr Spaß als ganze "deutsche Komödien". Der Autor und Regisseur studierte in München zusammen mit Sönke Wortmann, der auch einen Kurzauftritt als "Pannenhelfer des deutschen Films" hat. Von Eggers Drehbüchern wurden bislang "Der schönste Busen der Welt" (von Rainer Kaufmann) sowie "Kleine Haie" (Sönke Wortmann) realisiert.

Der gleitende Übergang vom galaktischen Kinowelt-Verleihvorspann zur Filmhandlung auf der Erde macht schnell die Beteiligung der Kinowelt Produktion von Thomas Häberle deutlich. Nach mehreren Koproduktionen ist der kostengünstig gedrehte "Harald" Beginn einer Reihe eigenständiger Projekte.

Günter H. Jekubzik

Ein Pauschaltourist aus dem All landet bei der Science-Fiction-Lektorin Rica. Da sich Harald nach einer Eingewöhnungsphase äußerlich kaum von anderen Menschen unterscheidet, bietet seine unbedarfte Neugierde Anlaß für reihenweise komische Situationen. Auch seine Unfähigkeit zu lügen, trägt zum Spaß mit den typenhaft gehaltenen Figuren bei. Ohne großen Aufwand sicher inszeniert, überzeugt die Komödie mit außergewöhnlichem Ideenreichtum, der sich in vielen Details und beim durchgehenden Dialogwitz niederschlägt.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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