The Green Mile

USA 1999 (The Green Mile) Regie und Buch Frank Darabont, 182 Min.

Von Mäusen und Menschen und Heiligen

Wir sind in Louisiana, einem der rassistischen Südstaaten Amerikas. Es ist 1935, die Zeit der Depression. Paul Edgecombe (Tom Hanks) leitet einen sehr menschlichen Todestrakt, in dem die sanften Wärter eher Seelsorger als die üblichen, sadistischen Peiniger sind. Ja, jeder Zentimeter der mit grünem Linoleum ausgelegten Todes-Meile  - Green Mile - erscheint lange Zeit ausgepolstert mit purer Menschlichkeit. Nur der aggressive, sadistische Percy Wetmore (Doug Hutchison), mit seinen protegierenden Beziehungen in hohen politischen Kreisen, stört die relative Ruhe des Todestraktes. Die ungenutzte Arrestzelle wird so im Laufe der Handlung doch mehr und mehr belebt. Nach komischen Generalproben zur kommenden Hinrichtung, bei denen Harry Dean Stanton sehr pietätvoll den Hinzurichtenden spielt, folgt jedoch äußerst häßlicher Ernst. Zweimal muss der Strom quälend lange den Körper verwinden, das Fleisch verbrennen, bevor Paul zynisch von einer "erfolgreichen" Exekution sprechen kann. Das ist eine erschreckende wie abschreckende Horrorshow und ein deutlicher Standpunkt in diesem Kulturland der barbarischen Todesstrafen.

Alles ändert sich, als ein neuer Todeskandidat eingeliefert wird: John Coffy (Michael Clark Duncan, "Armageddon") ein tiefschwarzer Riese, eine wundersame Erscheinung. Alle Bewacher fürchten ihn, aber er selbst hat Angst vor dem Dunkeln. John wurde zum Tode verurteilt, nachdem ihn eine wütender Weißer blutüberstromt mit zwei toten Mädchen in seinen Armen fand. Jetzt erstaunt John mit seiner sanften Art und nimmt mit "heilenden Händen" eine extrem schmerzhafte Entzündung der Harnwege von John. Das ist erst der Anfang vieler Wunder, denn beinahe jeder leidet unter Krankheiten: Die Frau des Gefängnisdirektors (James Cromwell) etwa muß bald an einem Gehirntumor sterben. Doch durch John wird Paul von einem viel größeren Leid erfahren. Unabwendbar steht der Kernsatz von Johns Klage im Raum: "Sie töten mit Liebe." Auch Paul begeht diesen Weg des Zwiespalts und bezahlt ihn mit dem ewigen Leben.

Regisseur und Autor Frank Darabont kam fünf Jahre nach seinem Kinodebüt wieder auf vertrautes Terrain zurück: Schon "Die Verurteilten" war ein perfekt gemachter Film in den Mauern eines Gefängnisses. Die Figur John Coffy erinnert an Burt Lancaster, "Der Gefangene von Alcatraz", so wie der Film das ergreifende Plädoyer von "Dead Man Walking" gegen die Todesstrafe wiederholt. Allerdings ist die Perspektive nun die der Wärter und es dauert eine Weile, bis der Film sein volles emotionales Szenario auffährt.

Die kleine Welt um die Todeszellen scheint anfangs nur ein zu simpler Ausschnitt aus der Vielfalt des Lebens zu sein. Lange ist "The Green Mile" eine einfache Geschichte mit allem Guten, was Hollywood zu bieten hat. Doch später, als dann Fred Astaire den Himmel näher bringt ("Heaven, I'm in Heaven"), eröffnen sich neue Dimensionen, bei denen man sich streiten mag, ob sie ganz ernst ein unerträgliches Leiden an dieser grausamen Welt beklagen oder scheinheilig den Abschied von einer Figur erleichtern. Denn man kann sich sehr wohl darüber ärgern, dass John als Dank Almosen statt Freiheit und Gerechtigkeit erhält. In dieser begrenzten Welt von Paul Edgecombe scheint eine kleinbürgerliche, grausame Gerechtigkeit zu herrschen. Doch wie die wundersame Figur Coffys keinen Platz unter den Menschen findet, ist auch der Film irgendwie nicht von dieser Welt.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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