Der Gejagte

USA 1997 (Affliction) Regie Paul Schrader, mit Nick Nolte, WillemDafoe, Sissy Spacek, James Coburn, Mary Beth Hurt u.a., 114 Min

Paul Schrader machte noch nie Filme, die sich in einem Satzüber einfache Schemata wie "Gut gegen Böse" erklärenließen. Als Autor schrieb er für Scorsese "Taxi Driver"(1975), "Raging Bull" (1979) und "Die letzte Versuchung Christi"(1988), für Brian De Palma "Schwarzer Engel" (1976), fürPeter Weir "Mosquito Coast" mit Harrison Ford (1986) und zuletztfür Harold Becker "CityHall" (1995). Noch eindrucksvoller ist die Liste von Schraderseigenen Inszenierungen, meist auf Basis seiner Stoffe: "Ein Mannfür gewisse Stunden" (1980) hat sich ebenso in die Reihewirklich bemerkenswerter Filme geschoben wie "Cat People" (1981),"Mishima" (1985),"Der Trost vonFremden" (1989), "LightSleeper" (1991) oder "Witch Hunt" (1994 nur auf Video als "MagicMurder").

Nun zeigt uns Schrader Wade Whitehouse (Nick Nolte), denPolizisten des verschlafenen, verschneiten, stillen Nests Lawford. Esist Halloween und morgen beginnt die Jagdsaison. Wade fährt mitseiner Tochter Jill (Brigid Tierney) durch die Nacht. Daß siesagt: Ich glaube, du warst immer schlechter Mensch, schockiert. Waser an diesem Abend noch tun und vor allem nicht tun wird,erklärt ein wenig. Doch die ganze Tragik dieses Mannes wird sicherst in den letzten Minuten des Films klar darstellen.

Bis dahin rätseln wir über die Hintergründe einestödlichen Jagdunfalls, erahnen betrügerischeGrundstücksspekulationen und erleben mit, wie sich WadeWhitehouse mit immer mehr Menschen anlegt und entzweit. Er hat wohlnoch ein paar Freunde, auch Margie (Sissy Spacek) ist bereit, ihrLeben mit ihm zu teilen. Gordon LaRiviere, der mächtige Mann desDorfes und vermeintliche ein Gönner, läßt ihnSchneeräumen, um sein Polizistengehalt aufzubessern. Doch Wadeist ein hilflos aggressiver, verzweifelt cholerischer Mann, verletztund einsam, immer kurz vor dem Explodieren. Es fehlt ihm anemotionaler Gelassenheit. Zahnschmerzen - gegen die er lange nichtstut - quälen ihn, doch gedankenlos sagt er öfters, er werdeeines Tages zurückbeißen. Obwohl ihn Kindheitserinnerungenan seinen brutalen Vater Glen Whitehouse (James Coburn) verfolgen,besucht er die Eltern regelmäßig auf einem Hofaußerhalb des Dorfes. Nach dem Tod der Mutter pflegen Wade undMargie das alte, unerträgliche Ekel Glen.

Obwohl man deutlich spürt, daß es mit Wade schwerbergab geht, startet er eine Sorgerechtsklage gegen seine ehemaligeFrau. Hinter dem tödlichen Jagdunfall eines Freundes vermutetWade mafiöse Verschwörungen."Playing Cop?" Spielst du wiederPolizist, fragt ihn deshalb höhnisch der Platzhirsch GordonLaRiviere.

Aber all diese äußerlichen Ereignisse erweisen sich amEnde als nebensächlich. Es wird zwar gesagt, man(n) solle ausder Geschichte lernen, doch mann muß sich auch mit derrichtigen Geschichte beschäftigen. Die Tradition von Gewalt undAlkohol in Wades Familie erkennt nur der früh weggezogene BruderRolfe (Willem Dafoe), der uns diese Vater und Sohn-Geschichte (imOff) erzählt.

Der Originaltitel "The Affliction" weißt direkt auf "dasLeiden, die Pein, die Betrübnis" hin. Es geht im Kern um dieGewalt der Männer, die Lieblosigkeit der Väter, dieverkrüppelte Liebesfähigkeit der Söhne. Das vermittelt"Der Gejagte" sehr ernsthaft, aber auch sehr ausführlich.

Nick Nolte, der früher so oft in Haudrauffilmen zu sehen war,spielt erneut (nach z.B. "Liebesflüstern") eine anspruchsvolleRolle. Der alte James Coburn legt als alter Drecksack Glen Whitehouseeine sehr üble Rolle unfaßbar gut hin. Besondersauffällig auch die eigenständige Musik von Michael Brook,mal nicht einer der typischen Hollywoodkomponisten. Der Kanadierschrieb zuletzt den Soundtrack für "Albino Alligator" von KevinSpacey. Doch schon von seinen Alben "Hybrid" (1985) und "Cobalt Blue"wurde immer wieder Song für Filme verwandt - zum Beispielfür "Heat". Auch mit Nusrat FatehAli Khan realisierte Michael Brook zwei faszinierende Alben.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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