Das Land der Griechen mit dem Film suchen

41.Internationales Filmfestival Thessaloniki

"Theo der Große" beherrschte das Treiben in der Mazedonierstadt Thessaloniki für zehn Tage. Der griechische Regisseur Theo Angelopoulos (Höhe schätzungsweise 1,70 Meter) ist mit seinen weltweit prämierten Filmen einer der renommiertesten Kulturexporte seines Landes und daheim ein Halbgott. Weiter als einst das Reich Alexanders reicht die Begeisterung über den großen Griechen von heute. Für "Die Ewigkeit und ein Tag" mit Bruno Ganz erhielt er 1999 endlich die Goldene Palme von Cannes, nachdem er in den Jahren zuvor mit Jurypreisen beleidigt abziehen mußte.

Das 41.Internationale Filmfestival Thessalonikis (10.-19.11.) versammelte einen Schwarm von begeisterten Kritikern, die nichts seliger wünschen, als im mythologischen Nebel eines Angelopoulos-Films aufzugehen. Auf einem zweitägigen Symposium rund um das episch ausgebreitete Werk des größten aller lebenden Regisseure Griechenlands langweilten Akademiker aller Nationen mit eifrig zusammengeklaubten Details: Welche Verweise zur Odyssee enthält "Der Blick des Odysseus"? Ist Angelopoulos poetisch, historisch oder mythisch? Alles akademischer Kram, den man sich besser selber anschaut.

Der so langweilig analysierte Meister war derweil selber damit beschäftigt, seinem sozialistischen Ministerpräsidenten Kostas Simitis hinterher zu rennen. Es hat sich scheinbar gelohnt: 10 Millionen Dollar wurden ihm für seine nächste Trilogie zugesagt, die Teil der Kulturolympiade Athen 2004 wird. Parallel zur sportlichen Olympiade soll jeden Tag ein besonderes Ereignis der Weltöffentlichkeit das Kulturschaffen des neuen Griechenland präsentieren. Mit einem stattlichen Etat soll das noch namenlose Filmprojekt das größte Ereignis der Kulturolympiade sein. Weitere, ausländische Finanziers müssen zusätzlich angezogen werden. Der erste Teil mit dem Titel "The weeping land" beginnt 1919 mit dem Einmarsch der Roten Armee in Odessa. Der zweite Teil, "The third wing" spannt sich bis 1971 und spielt vor allem in den Teilen der UdSSR. "The eternal truth" vollendet die Trilogie und soll in den USA gedreht werden.

Zu den Angelopoulos-Verehrern gehörte auch Harvey Keitel, der Dreharbeiten zu Istvan Szabós "Taking Sides" in Berlin unterbrach, um "zu den Wurzeln allen Erzählens" zu reisen. Keitel paßte mit seiner schwarzen Lederjacke perfekt in die Griechen-Umgebung und fühlte sich sichtbar wohl. Mit seiner Begeisterung für den Meisterregisseur Theo Angelopoulos und den kulturellen Einfluß der Griechen hielt er denn auch nicht zurück: "Wir sind hier, wo die großen Geschichten der Welt erzählt wurden. Die jungen Griechen sollen auf ihre Geschichten schauen und nicht nach mir oder Robert DeNiro."

Vom aktuellen griechischen Film wird jedoch sicher niemand mehr in ein paar tausend Jahren reden. Die sind schon nach fünf Minuten vergessen. Dem momentanen einheimischen Komödienerfolg mit Filmen wie "Safe Sex" ist auch kein langes Leben zuzutrauen. zwar laufen sie seit den 60ger erstmals den ausländischen Produktionen den Rang ab, aber die Infrastruktur ist derart lückenhaft, dass sich der Boom kaum halten kann.

Gelohnt hat sich das Festival jedoch trotzdem für die Besucher. Wie alle internationalen Festivals der zweiten Reihe, leidet auch das von Thessaloniki nicht unter dem Zwang, Erstaufführungen auf Kosten der Qualität zu zeigen. Ein Schwerpunkt ist geographisch naheliegend: Der Balkan. Die nordgriechische Region Mazedonien sieht sich als Teil des Balkans und qualifiziert sich auch mit nationalen Rangeleien für die "Krisenregion": Nördlich von Thessaloniki liegt das Pünktchenland F.Y.R.O.M. - Former Yugoslavian Republik of Mazedonia heißt das verschleiernd, denn Mazedonien soll für die Griechen nirgendwo anders liegen als im Land von Alexander und Angelopoulos. Wobei der große Regisseur, dessen letzte Filme unmenschliche Grenzziehungen geradezu beweint haben, von der orthodoxen Kirche Griechenlands dafür sogar heftig angefeindet wurde.

Den besten Einstieg für ein Kinofest lieferte "Vengo", der neue Film des Regisseurs von "Gadjo Dilo". Tony Gatlif folgt wieder den Roma dieser Welt und ihrer Musik. Diesmal spielt sich zwischen Tänzen und Gesängen in Spanien eine leidenschaftliche Blutrache ab. Gatlif zeigte seinen Film auch abseits der Festival in einer nagelneuen Roma-Ansiedlung.

Damit so ein Bericht schön rund werden kann, machten die Jurys die britische Produktion "The Last Resort" von Pavel Pawlikowski zum erfolgreichsten Film des Festivals. Die Russin Tanja wird darin bei der peinlich kontrollieren Einreise nach England ungeduldig. Sie lässt das Wort "Asyl" fallen, um schneller zu ihrem Verlobten zu kommen. Doch jetzt ist sie gefangen. In einer Bürokratie, die mindestens 12 Monate braucht, den Antrag zu bearbeiten. In einem brutalen Ghetto. Jeder "Fluchtversuch" wird von Kameras überwacht und mit Haft bestraft. Eine gute, kleine Geschichte, die wie Angelopoulos in seinen Epen und Gatlif in seiner Leidenschaft von Grenzen aus Beton, Stacheldraht und Ideologie erzählt. Dieses Thessaloniki, auf der Mitte zwischen dem alten Athen und dem orientalischen Konstantinopel, an dem Balkanhafen zum Mittelmeer, ist ein guter Ort für Grenzüberschreitungen.

2 Preise für "Die innere Sicherheit"


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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