Berlinale 2005

Festivalberichte von Günter H. Jekubzik und Oliver Schiffers


Die 55. internationalen Filmfestspiele in Berlin
10. - 20. Februar 2005

Schmalz- und Click-Songs

Musikalische Berlinale

Berlin. Die letzte Berlinale eröffnete schwungvoll mit dem Musical "Chicago", 2005 mussten Musikfans bis zur zweiten Woche warten, wurden dann aber mit einer südafrikanischen "Carmen" und einem swingenden Kevin Spacey verwöhnt.

Bizets "Carmen" mit den Liedtexten in der südafrikanischen Xhosa-Sprache, mit den schnalzenden Lauten, die wir aus Miriam Makebas "Click Song" kennen, das ist so ungewöhnlich wie faszinierend. Ebenso das Setting in einem Township zwischen Prostituierten, Schmugglern und Polizisten sämtlich schwarzer Hautfarbe. (Theater-) Regisseur Mark Dornford-May zeigt in "U-Carmen eKhayelitsha" das alte Drama von Verführung und Eifersucht glaubhafte verbunden mit den aktuellen Themen des Landes, lässt einige traditionelle Lieder aber vor allem viele dokumentarische Straßenszenen einfließen. Ein Kunstgenuss, der Augen und Ohren für die Vielfalt der Welt öffnet. Pauline Malefane, eine in Südafrika sehr bekannte Sängerin, nahm sichtlich bewegt die Ovationen für ihre packende Carmen im Berlinale-Palast entgegen.

Ähnlich unbekannt mag für die meisten jüngeren Generationen der amerikanische Sänger Bobby Darin sein, auch wenn viele ältere Semester in den USA von ihm schwärmen. Das sollte aber kein Grund sein, die sehr musikalische und elegant gefilmte Darin-Biografie "Beyond the Sea" zu verpassen.

Der vielschichtige Film zeigt Bobby Darin (Kevin Spacey), der seine eigene Biografie verfilmt, nach einem Anfang sucht - chronologisch und psychologisch. Der elegante Entertainer im Anzug unterhält sich auf der Suche nach "der Wahrheit" mit dem jungen Darsteller seiner Kindheit und beginnt die Reise in die Vergangenheit in ärmlichen Verhältnissen, in einer schweren Zeit, als ihm der Arzt nur wenige Jahre zum Leben gibt. Doch seine Mutter, eine ehemalige Sängerin, eröffnet ihm die Welt der Musik und macht ihn zu einem Entertainer, der Straßen voller Musik und Tanz sieht. Enthusiastisch zieht er nach New York, dort wird aus Walden Robert Cassato der Sänger Bobby Darin, ein Jugendidol mit Toupet, von vielen bewundert. Aber er will ein Star im Stile Sinatras werden, will, dass ihn jeder kennt.

Immer wieder inszeniert Kevin Spacey dunkle persönliche Momente im Wechsel mit wunderbaren Musicalszenen, mit raffinierten Übergängen zwischen Perspektiven und Personen. Den Tod der Mutter erlebt Darin als der kommende Star und immer noch als kleiner Junge. Märchenhaft das Treffen mit seiner zukünftigen Frau Sandra Dee in Italien (gedreht in Potsdam!), die verspielte Tanzszene zum Titelsong in warmen Farben und romantischen Kulissen, da klingt Gene Kelly an.
Nach einer eiligen Heirat und während der schwierigen Beziehung ist er auf seine Karriere fixiert ...

Kevin Spacey ("Die üblichen Verdächtigen") interpretiert in seiner zweiten Regiearbeit den Star, die Entertainer-Legende Bobby Darin als Regisseur, Koautor und Hauptdarsteller. Und das ist eine Besonderheit, singt alle Lieder selbst und geht mit ihnen sogar auf Tournee. Das ist reizvoll wie auch der handwerklich und stilistisch exzellente Stil. Das überspielt lange die inhaltlichen Bravheiten. Wie schon bei "Alexander" bleibt der Film eine Suche. Was an sich spannender sein sollte, als die fertig verpackten, abgeschlossenen und Standard-Biographien. Doch "Beyond the Sea" baut wohl zu sehr auf eine Begeisterung für Bobby Darin, die man erstmal mitbringen muss. "Beyond the Sea" läuft Donnerstag im Aachener Apollo an.