Berlinale 2004

Festivalberichte von Günter H. Jekubzik und Oliver Schiffers


Die 54. internationalen Filmfestspiele in Berlin
5. - 15. Februar 2004

Energiegeladene Liebesgeschichte gewinnt Goldenen Bären.

Berlin. Mit dem historischen Comeback des deutschen Films auf internationaler Festivalbühne endeten Samstag die 54. Internationalen Filmfestspiele Berlins. Fatih Akins "Gegen die Wand" erhielt den Goldenen Bären und rauschenden Applaus der Ehrengäste. Protestierende Studenten und nackte Tatsachen waren da schon aus dem Saal entfernt worden.

Die Internationale Jury unter der Leitung von Frances McDormand gab den Goldenen Bär im Wettbewerb von 23 internationalen Filmen an "Gegen die Wand" von Fatih Akin. Der intensive Film erzählt von der Beziehung zwei türkischer Deutschen, die gegeneinander und mit ihren Wurzeln kämpfen. Dieser verdiente Festivalerfolg mit dem vierten Spielfilm ist die bisherige Krönung der Karriere des 30-jährigen türkisch-stämmigen Hamburgers, der schon mit "Kurz und schmerzlos", "Im Juni'" und "Solino" sein Können zeigte. Auch die FIPRESCI, der Verband der internationalen Filmkritik, verlieh ihren Preis an "Gegen die Wand". Der Film ist ab dem 22. April in den Kinos zu sehen.

Damit erhielt nach Jahrzehnten erstmals wieder ein deutscher Film den Hauptpreis bei einem der drei großen Filmfestivals Cannes, Venedig und Berlin. Wim Wenders gewann die Goldene Palme für "Paris, Texas" im Jahr 1984 und einem Regiepreis für "Der Himmel über Berlin", in Venedig gewann er 1982 mit "Der Stand der Dinge". Bei der Berlinale gab es zuletzt 1986 einen Goldenen Bären für "Stammheim" von Reinhard Hauff. Es bestätigen sich die bei dieser Berlinale geäußerten Beobachtungen, "der deutsche Film" hätte auf breiter Front an Qualität und internationalem Ansehen gewonnen. Auch die Hauptpreise in San Sebastian für "Schussangst" und Rotterdam für "Unterwegs" passen in dieses Bild.

Eine Hauptrolle bei der abschließenden Preisverleihung spielten protestierenden Studenten, die nackt über den roten Teppich liefen und auch während der Veranstaltung mit Bundespräsidentengattin Christina Rau, Bürgermeister Klaus Wowereit, Kulturstaatsministerin Christina Weiss und Filmstar Claudia Cardinale ihr Anliegen vorbringen konnten. Festivaldirektor Dieter Kosslick meisterte auch diese Situation souverän.

Bei den Darstellerpreisen der Berlinale unterlief gerade der exzellenten Schauspielerin McDormand als Jurypräsidentin eine krasse Fehlentscheidung: Während die junge Catalina Sandino Moreno in ihrem ersten Film "Maria voll der Gnade" spürbar macht, dass sie in ihrem Körper Kokain und ein Kind in die USA schmuggelt, wurde Charlize Theron ausgezeichnet, weil sie für ihre Rolle als männermordendes "Monster" 14 Kilo zunahm! Da müsste es logischerweise auch einen Preis für Christian Bale in "The Machinist" geben, der mindestens soviel Kilo für seine Rolle abnahm. Wie ein Kommentar dazu antwortete Claudia Cardinale in einem Interview auf die Frage, weshalb sie nicht öfters in Hollywood gespielt habe: "Ich ziehe die Spezialeffekte der Seele den anderen vor!"

Der Silberne Bär für den besten Darsteller ging an Daniel Hendler, der im Film "El abrazo partido" einen Argentinier spielt, der nach Jahren seinen Vater in Israel aufsucht. Daniel Burman, der Regisseur dieses Films, erhielt auch den Großen Preis der Jury - einen Silbernen Bär. Den Preis für die beste Regie bekam Kim Ki-Duk für seinen Film "Samaria" (Die Samariterin).

Schon die Titel "Maria" und "Samaria" machen deutlich dass es bei dieser Berlinale vor allem um die feinen Aktionen der Seele und nicht um die Action der lauten Effekte ging. Vergangenheitsbewältigung und Vergebung waren die bestimmenden Themen - von der Versöhnungskommission in Südafrika bis zu sehr persönlichen Geschichten. Dabei wucherte die Berlinale im Gegensatz zum letzten Jahr wieder mit neuen Ereignissen. Es ergab sich der Eindruck vieler verstreuter Einzelfestivals, die jedes für sich begeistern konnten.