Berlinale 2003

Festivalberichte von Günter H. Jekubzik und Oliver Schiffers


Die 53. internationalenFilmfestspiele in Berlin
6. - 16. Februar 2003

Lichter

Hoffnungsvolle Depressionen


Berlin. Eine der großen Überraschungen der Berlinale 2003 ist das große
Interesse für deutsche Filme. Und es handelt sich nicht um die frühere
hämische Vorfreude auf ein Schlachtfest der Kritik. Man drängelt sich
zu "Lichter" und "Good-Bye, Lenin" wie zu den Star-gestopften
Hollywood-Filmen. Dieter Kosslick hat in zwei Jahren seinem Wettbewerb
und dem deutschen Film darin Vertrauen zurück gegeben.

Gestern waren Hans-Christian Schmids "Lichter" an der Reihe.  Mit "Nach
Fünf im Urwald" entdeckte er Franka Potente, mit "23" wurde August
Diehl bekannt und in "Crazy" sah man Robert Stadlober so gut wie nie
mehr danach. Schmid ist ein außerordentlich guter Regisseur mit feinem
Gefühl für den richtigen Ton. Das zeigt er auch mit einem
Riesen-Ensemble, das ansonsten nur Robert Altman stemmt.

An der deutsch-polnischen Grenze konzentrieren sich die Schicksale:
Ukrainische Flüchtlinge, Schmuggler, gescheiterte Existenzen und
grausame Kompromisse. Raue Sitten nicht nur unter den
Zigaretten-Schmugglern, es gibt wenig hilfreiche Menschen, und die
ernst niemals Dank.

Mit Handkamera macht Schmid zeitweise auf den Stil von "Halbe Treppe",
doch die gut zusammen gehaltene Vielfalt an Geschichten vermittelt
niederschmetternd Facetten einer tiefen Kluft mitten in Europa.
Besonders gut ist Schmid immer, wenn er sich auf einzelne Personen
konzentrieren kann, etwa den Taxifahrer, der verzweifelt ein neues
Kommunionskleid für seine Tochter will und dabei fast über Leichen geht. Die Lichter des Titels erweisen sich dabei immer als Irrlichter, als
verlockender, trügerischer Schein. Am Ende des Tunnels ist kein Licht
zu sehen. Außer für den deutschen Film.