Fahrenheit 9/11

USA 2004 (Fahrenheit 9/11) Regie: Michael Moore mit George W.Bush, Michael Moore, Britney Spears u.a. 115 Min.

Pünktlich zur Convention der Amerikanischen Demokraten, bei denen Bushs Gegenkandidat gewählt wird, startet Michael Moores filmisches Abwahlprogramm "Fahrenheit 9/11" auch bei uns: Der Cannes-Sieger zeigt alles, was Sie über Bush und den 2.Irak-Krieg wissen wollten oder nie zu glauben wagten.

"Fahrenheit 9/11" - das ist ein Politikum, das ist das Macher Michael Moore und nicht zuletzt ein bewegender Film. Wobei Moore mit seinem politischen Engagement so einnehmend ist, dass er sich immer in den Blick drängt. Was bisher geschah: Moores Dokumentation über den Waffenwahn und die künstlich geschürten Ängste der Amerikaner, "Bowling for Columbine", war 2002 nach 40 Jahren die erste Dokumentation im Wettbewerb von Cannes und gewann damals einen eigens erfundenen Sonderpreis. Eine Woche vor Cannes 2004 startete die Fahrenheit-Kampagne weltweit mit einer alarmierenden Nachricht: Die Dokumentation sollte wegen des langen Arms der Familie Bush von Disney-Tochter Miramax nicht vor den US-Wahlen gezeigt werden. Bush und Disney? Tatsächlich, einige Disney-Länder (-eien) liegen in Florida und dort entscheidet Brüderchen Gouverneur Jeb Bush nicht nur per (Nicht-) Auszählung über den amerikanischen Präsidenten, auch bei Steuererleichterungen für große Konzerne könnte er "Nein" sagen!

Doch alles ward gut. "Fahrenheit 9/11" war DAS Thema in Cannes 2004 und gewann die Goldene Palme - als erste Dokumentation nach mehreren Jahrzehnten. Der Produzent Miramax kaufte von Disney die Verleihrechte zurück und mittlerweile bricht der Film einen Rekord nach dem anderen an den US-Kinokassen. George Bush verbittet es sich, auf "Fahrenheit" angesprochen zu werden. Der DVD-Start ist in den USA kurz vor den Präsidentschaftswahlen im November geplant.

Die bittere und nur zeitweise komische Doku zeigt die Politik von George W. Bush nach dem 11. September 2001. Moore erzählt Geschichte wie man sie selten hören konnte, vor allem in den USA. Dass ausgerechnet Familienmitglieder vom angeblichen (und nie überführten) Oberterroristen Bin Laden direkt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 als einzige noch im Luftraum der USA fliegen durften, ist nur eine von vielen Ungereimtheiten hinter den Attentaten. Die schnelle Verurteilung von Ländern, die nachweislich nichts mit den Flugzeug-Attacken zu tun hatten, wird ebenso bloßgelegt wie die Ölgeschäfte der Bush-Familie mit Freund und Feind.

Anfangs amüsiert man sich vielleicht noch über einen minderbemittelten und unfassbar ignoranten Präsidenten: Wenn Bush angesichts der Twin Tower-Katastrophe völlig hilflos minutenlang in ein Kinderbuch starrt. Oder wenn er seine ausgiebigen Freizeitaktivitäten mit spöttischen Bemerkungen zur sozialen Situation des Landes karikiert. Doch dann schlägt das Grauen des Krieges zu. Mit Bildern, die man auch in unseren Medien nicht zu sehen bekam. Das Ergebnis ist schiere Wut auf die Entscheidungsträger, die ihre Mitmenschen verheizen, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Dass Moore am Ende Politiker bittet, ihre Söhne in den Irak zu schicken, ist zwingend logisch: Nur wer selbst ein Blutopfer bringt, sollte Menschen in den Krieg zwingen dürfen!

Zwar besitzt der engagierte Film nicht die künstlerische Vielfalt des Vorgängers "Bowling for Columbine" doch die Anti-Bush-Dokumentation "Fahrenheit 9/11" ist vielleicht der wichtigere Film - für die ganze Welt. Der Titel nimmt Bezug auf Truffauts Distopie-Klassiker "Fahrenheit 451" nach Bradburry. Darin werden in einem zukünftigen Staat systematisch Bücher verbrannt - 451° Fahrenheit ist die Temperatur, bei der Papier brennt - und die individuellen Freiheiten eingeschränkt. Parallelen zur Terrorangst von heute sind überdeutlich.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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