Epsteins Nacht

BRD/Österreich (Epsteins Nacht) Regie Urs Egger, 85 Min.

Drei jüdische Freunde aus Berlin haben den Holocaust und das KZ Birkenau überlebt - was bedeutet, dass sie Jahrzehnte später noch mittendrin stecken. Der ruppige Schrotthändler "Jockele" Epstein (Mario Adorf) trinkt und kümmert sich weiterhin um die beiden Brüder Rose. Karl (Otto Tausig), der ältere, ist Anwalt und meint, man solle die alten Zeiten ruhen lassen. Den stillen Adam (Bruno Ganz) befällt immer im Dunkeln eine panische Angst, vor der er sich mit einer Taschenlampe zu schützen sucht. Zusammen trauern sie Hannah, der ersten Liebe Adams, nach, deren Schicksal sich im Zusammenspiel der drei Zeitebenen von "Epsteins Nacht" - mit anfangs sehr zögerlichen Rückblenden in die Nazizeit - langsam klärt.

Als eine Gefälligkeit Epstein und Karl am Heiligabend in eine katholische Messe bringt, erkennen sie im Priester (Günter Lamprecht) ihren Peiniger und Folterer aus dem KZ. ÝDie angespannte Atmosphäre entlädt sich am nächsten Morgen im Treffen der drei Freunde mit dem Mann, der ihr Leben persönlich zur Hölle gemacht hat.

Es ist eine furchtbare Begegnung der vier alten Männer in einer Kirche. Die Probe, ob Priester Groll tatsächlich der Folterer und Mörder Hauptsturmführer Giesser ist, beginnt mit bitterem Philosophieren über das Glück, das sie doch alle gehabt hätten. Dann, nach einer ersten Konfrontation mit dem in Wort und Tat sehr direkten Epstein, zeigt Groll seine auf den Arm tätowierte KZ-Nummer. Ob sich unter der Achsel das Blutgruppen-Tattoo der Waffen-SS verbirgt, will er nicht überprüfen lassen.

Es wird ein zynisches, ein perverses Gericht gehalten, Schuld in allen Schattierungen taucht aus der Vergangenheit auf; es ist eine verkehrte Welt, in der Groll/Giesser verkündet: "Krieg ist keine schöne Sache, aber ich bin doch anständig geblieben!" Das sind die Momente, die "Epsteins Nacht" sehenswert machen, die Ahnungen des Grauens mit ihren Zwängen und Verstrickungen jenseits der Vorstellungskraft. Und eine besondere Freundschaft, die sich zwischen Epstein und Adam herauskristallisiert: Der bullige, starke Pragmatiker Epstein sucht nach zehn Jahren Gefängnis "etwas, das dieses beschissene Leben lebenswert macht." Er hat es nie gefunden, er weiß nur, dass es da sein muss, weil der träumende Poet Adam es immer gesehen hat. Als Beschützer der Roses, organisierte und schmuggelte Epstein, ließ andere für den immer unbedachten Adam hinrichten und verriet sogar seine Liebe Hannah ...

"Epsteins Nacht" trumpft mit einer phänomenalen Herrenriege auf: Bruno Ganz, Günter Lamprecht, Mario Adorf und Otto Tausig dürften als Attraktion reichen, trotzdem wirkt vieles im Film aufgesetzt. Es wird zu viel gesagt und vor allem zu deutlich. Weshalb sollten sich die drei ehemaligen Häftlinge ihre grauenvollen Erlebnisse detailliert nacherzählen, wenn sie doch alle dabei waren? Hier wird nur dem Publikum etwas erzählt statt gezeigt und das kommt selten gut.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

realisiert durch
Ein Service von
arena internet service
FILMtabs-Logo