Egoshooter

BRD 2004 (Egoshooter) Regie: Christian Becker, Oliver Schwabe mit Tom Schilling, Max Timm, Camilla Renschke 79 Min.
FSK ab 12

Enttäuschung für alle PC-Spieler: Hier geht es nicht um einen sogenannten "First Person Shooter", um ein Ballerspiel. Zwar wird auch hier gnadenlos draufgehalten, aber mit einer Kamera, die der Hauptdarsteller Tom Schilling ("Crazy") selbst auf sich richtet!

Das Projekt "Egoshooter" hat seinen Ursprung in "Videotagebüchern" für den NDR, bei denen Oliver Schwabe Jugendlichen zwischen 15 und 22 über ein Jahr eine Kamera gegeben hat, damit sie ihr Leben filmen. Aus dem Rohmaterial schnitt er 45-minütige, unkommentierte Dokumentationen. Die Produktion Reverse Angle Factory - unterstützt von Wim Wenders - lud Schwabe ein, für die Reihe "radikal digital" ein fiktives Videotagebuch zu inszenieren. So entstand als Gemeinschaftsarbeit von Oliver Schwabe und Christian Becker das ungewöhnliche Porträt von Jakob (Tom Schilling).

Der 19-jährige Jakob filmt sich und seine Umgebung. Die WG, die er mit dem älteren Bruder und dessen schwangerer Freundin Caro bildet. Die Freunde, die Besäufnisse, eine vandalisierte Wohnung, eine einsame Mutter eines Freundes, der Rapper, die sehnsuchtsvollen Blicke für die distanzierte Mani. Straßenszenen in Köln, in der U-Bahn, Spazieren und Fummeln am Rhein, Skaten im WG-Zimmer - so richtig ergibt sich keine Persönlichkeit aus den Puzzleteilen. Soll er vielleicht auch nicht.

Konkret könnte das Verhältnis zum Bruder einen psychologischen Anhaltspunkt zu bieten. Die Familienmotive, die verschiedenen Mutter-Kind-Situationen skizzieren eine Sehnsucht in der allgemeinen Einsamkeit, in Jakobs emotionaler Haltlosigkeit.

"Sachen kommen und gehen, ich werde versuchen, soviel wie möglich festzuhalten", lautet das abschließende Motto Jakobs. Der wohl experimentellste Film seit langem, der es ins Kino schafft, wurde tatsächlich nur in Fragmenten mit rein subjektiv-selbstbeobachtender Kamera gefilmt - zum Glück. Diese Mischung einer an sich sicher spannenden dokumentarischen Form und eines übergestülpten fiktionalen Entwurfs kommt dem wahren Jakob nicht besonders nahe. Die Fragmente ergeben - wohl beabsichtigt - keine Entwicklung. Sie breiten ein Angebot aus, wie es der Rapper im Film sagt: "Schließlich muss sich einer von euch den Kopf zerbrechen!"


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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