Der englische Patient

USA 1996 (The english Patient) Regie Anthony Minghella, 162 Min.

Papier wie eine Wüste. Darauf die Zeichnung eines Körpers. Dann Dünen wie Körper darüber ein Flugzeug wie ein Traum, ein Morphiumtraum.

Nach einem Flugzeugabsturz wird der verbrannte Pilot von britischen Sanitätstruppen gepflegt. Auskünfte über seine Person verweigert er, er könne sich nicht erinnern. Der Zufall (?) bringt ihn mit der Pflegerin Hana in ein verlassenes italienisches Kloster. Auch die junge Hana (Juliette Binoche) muß ihre Wunden pflegen, verliert sie doch scheinbar alle Menschen, die sie liebt, an den Krieg.

In der zusammengefaßte Filmversion des von vielen geliebten Romans Michael Ondaatjes erleben wir den Anfang und das Ende eines Krieges. Auch den Anfang und das Ende einer Leidenschaft.

Beide kommen sie zu sich, die Krankenschwester, jetzt ohne Uniform, und der englische Patient. Sie genießt die Pflaumen des Gartens, legt ein Sommerkleid an, macht das zerschossene Kloster wohnlich. Hana liest ihrem Patienten aus dessen Herodot-Ausgabe vor. Das zerlesene Buch ist prall angefüllt mit vielen Briefen, Zeichnungen und persönlichen Notizen. Der Todkranke erinnert sich, auch provoziert von einem dritten Mitbewohner, der sich Caravaggio nennt:

In freien Zeiten vor dem Krieg war der Club der Wüstenforscher international. Gemeinsam teilten sie eine Leidenschaft für unwirtliche Gegenden Afrikas und erstellten aus lauter Idealismus Karten. Als die Briten und die Deutschen Afrika mit Krieg überziehen, wird die Gruppe aus Freunden gesprengt, Spionageverdächtigungen kommen auf. Ein Verrat zeigt mörderische Folgen. "Es ist Krieg, da wird es wichtig wo man herkommt - ich hasse diese Idee." Gleichzeitig erlebt eine heftige Liebesgeschichte ihre Tiefpunkte. Der ungarische Graf Laszlo Almasy wehrte sich lange gegen die Anziehung durch Katherine Clifton, der Frau eines Kollegen und Freundes. Doch Katherine und Laszlo ergeben sich einer Leidenschaft, die Kleider zerreißt und einer Fürsorge, die sie nachher nur mangelhaft wieder zu flicken weiß. Der bald folgende Ausbruch von Eifersucht, häßlichem Schmerz und verzweifelter Liebe ist nur eine andere Form des Krieges, der in alle Beziehungen eingreift.

Graf von Almasy ist ein karger, zurückhaltender Typ, der sich in der schweigenden Einsamkeit der Wüste wohl fühlt. Sein Buch über die Sandregionen zeichnet sich durch lange Texte mit nur wenig Adjektiven aus. Ralf Fiennes spielt ihn ernst, sogar schroff und sozial ungehobelt.Juliette Binoche überrascht als Pflegerin Hana mit einer größtenteils zurückhaltenden Rolle und kleinen, jugendlichen Lachern.

Je näher die beiden Geschichten zusammenkommen, umso glücklicher und freudvoller wird die Gemeinschaft im Kloster. Der indische Minenentschärfer Kip vervollständigt das gemischte Quartett. Das Ende des Krieges ist nahe. Der im Morphiumrausch mehr und mehr ausgeglichene Patient hört seine geliebten Schlager. Es gibt Siegesfeiern und Sonnenschein.

"Der Englische Patient" erzählt von einer große Romanze, die durch den Nationenwahn zerstört wird. Die letzten Worte der Liebenden lauten: "Wir sind die wirklichen Länder, nicht die Grenzen oder die Karten, die sie ziehen."

Eine Höhle mit alten Zeichnungen schwimmender Menschen mitten in der Wüste, unter einer Felsformation, die dem Rücken einer Frau ähnelt. Am Ende stirbt der Patient zusammen mit seiner Geliebten. Die Schrift, das Morphium und das Zelluloid vollbringen dieses romantische Wunder entgegen den Gesetzen von Zeit und Raum. Der Film macht neugierig auf das Buch von Michael Ondaatje, weil er trotz seiner Länge Auslassungen erkennen läßt und stellenweise noch ausführlicher hätte erzählen können.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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