Cyclo

Fr 1995, Regie + Buch Tran Anh Hung, 120 Min.

Daß "Der Duft der grünen Papaya" auch von dem in Vietnam geborenen Tran Anh Hung stammt, sollten wir für eine Weile vergessen. Der vietnamesische Historienfilm bezauberte durch seine außerordentliche, entrückte Schönheit. Der Indochina-Krieg fand außerhalb der Welt des verträumten Hausmädchens statt. Jetzt ist "Cyclo" und jetzt ist Krieg, Horror und Wahnsinn.

Auch Jahrzehnte nach dem amerikanischen Krieg kämpft das zerstörte Land Vietnam noch mit Armut und Elend. Die Stadt und der Film zeigen Bilder emsigen und harten Arbeitens. Vom kleinen Mädchen, daß bis tief in die Nacht Schuhe putzt, bis zum Großvater, der Fahrradschläuche flickt. Cyclo, der Rikschafahrer ist namenlos wie alle Menschen des Films. Bei Not und Elend schlägt immer das Genre der Fahrraddiebe zu, so auch bei Cyclo. Dann verläuft aber dieser geniale vietnamesische Horrortrip nicht wie De Sicas Klassiker des Neorealismus. Cyclo gerät an eine Gangsterbande. Ohne daß sie voneinander wissen, prostituiert sich seine Schwester aus Liebe zum Poet genannten Chef der Gang.

In vielfältigsten Episoden dieser drei Hauptfiguren, mit immer wieder anderen, aber immer wieder fesselnden Stilen ergibt sich unbeschreiblich viel mehr als der pessimistische Verlauf, die düstere, brutale Atmosphäre. Die Impressionen von Tran Anh Hung schockieren und faszinieren gleichzeitig, als stammten sie von einem Dali des Films, der die Abgründe Goyas in schaudernde Farbdramaturgien taucht. Auch jede Kamerabewegung und jeder Schnitt verstärken die Erschütterung. Der Kontrast im Bild, zwischen den Szenen oder in der sozialen Umgebung ist eines der vielen starken Mittel von "Cyclo". Die traditionell instrumentierten Kompositionen von Ton That Tiet haben eine heutzutage seltene Klasse der pointierten Begleitung.

"Cyclo" ist in jeder Hinsicht ein Meisterwerk. Hier schließt sich wieder die Klammer zum Erstling des Vietnamesen. Denn auch "Der Duft der grünen Papaya" (1993) war exquisit gefilmt, doch die aktuelle Thematik von "Cyclo" mutet dem Auge immer neue Schocks zu. Ein schwer erträglicher, aber deshalb um so nachhaltiger Eindruck. Eine Meisterschaft im filmischen Erzählen in Verbindung mit seinen eigenen, vietnamesischen Thema zeigte auch "La Pierre de l'attente", ein Kurzfilm aus dem Jahre 1991.

Nicht nur für die Farbsymbolik lohnt sich mehrfaches Sehen des Film. Auch die Bedeutungen der vielfältigen Wasserflüsse, die Off-Kommentare der abgründigen Figuren oder die Spiegelungen vom Poeten in Cyclo versprechen noch reichlich Entdeckungen.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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