Chicago

USA/Kanada 2002 (Chicago) Regie: Rob Marshall mit: Catherine Zeta-Jones, Renée Zellweger, Richard Gere 113 Min.

Eine große Party zur Eröffnung der Berlinale, ein flottes Musical mit einer Handvoll Stars: Richard Gere, Renée Zellweger, Catherine Zeta-Jones - kein schlechter Start, doch es gibt einige Probleme im Ensemble ...

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"Chicago" erzählt eine dieser seit Andy Warhol modernen Geschichten vom Ruhm und der kurzen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Noch genießt diese Velma Kelly. Die große Jazztanz-Revue ist in vollem Gange, alles erwartet den Top Act der Kelly-Sisters, doch Velma kommt allein. Sie hat gerade ihren Mann und ihre Schwester erschossen, weil sich die beiden zu nahe kamen. Auch Velmas größter Fan, die naive Träumerin Roxie Hart ("Nurse Betty" Renée Zellweger) erschießt einen Mann und landet bald in der Abteilung des Gefängnisses, in dem die Mörderinnen auf ihre Todesstrafe warten. Die erste, einsame Nacht bringt .... eine große Revuenummer der fünf Killerinnen, in aufreizenden Dessous, denn schließlich ist "Chicago" ein Musical und das nicht zu knapp.

Wann immer das Leben unerträglich oder unerträglich schön wird, bricht Film in Musik und Tanz aus: Der Klassiker "Singing in the Rain", der intellektuelle "Singing Detective", Ewan McGregor mit "Lippenstift am Kragen", Steve Martin in "Tanz in den Wolken" (alle drei Potter-Filme), Demys "Regenschirme von Cherbourg", von Triers melodramatischer "Dancer in the Dark", der Genrehöhepunkt "Moulin Rouge" ... ich könnte noch viel mehr Lieblingsfilme aufzählen. Im "Chicago" der Zwanziger ist das Leben eine große Show, deshalb besteht es aus Tanz-, Stepp- und Clownnummern.

Jeder Auftritt einer neuen Figur ist ein großer Auftritt, mit Song, Showtreppe und Tanztruppe. Der Anwalt Billy Flynn (Richard Gere) singt uns vor, dass es ihm nur um die Liebe zu den Frauen geht, die er verteidigt - für 5000$ das Stück. Schnell erkennt auch die einfältige Roxie, dass sie dem Galgen nur entkommt, wenn sie eine große Nummer wird. Flynn fliegt auf sie und Velma fliegt von der Liste der bevorzugt verteidigten Frauen. Jetzt macht Roxie die Schlagzeilen, Flynn lässt in einer großartigen Nummer seinen Reporter-Marionetten tanzen, Roxie sagt als seine Bauchsprecherpuppe brav ihren Text und macht auf büßende Sünderin, als verführte Unschuld, als gefundenes Fressen für die Zeitungspressen. Doch die Öffentlichkeit verlangt unersättlich nach immer neuen Geschichten und deshalb ist der Kampf um die Star-Position im Knast ein knallharter. Velma hat es erkannt, es gibt nur ein Geschäft, in dem man sich hasst und trotzdem zusammen arbeiten kann: Das Showgeschäft.

Nach einer Broadway-Vorlage von Bob Fosse schrieb Bill Condon ("Gods and Monsters") das Musical neu. Dabei ist der Name Bob Fosse in Sachen Musical das was Fred Astaire fürs Tanzen (sagen wir ... Madonna für die Jüngeren), Maradonna fürs Fußballspiel und Orson Welles für den Film. Fosse ist der einzige, der in einem Jahr (1973) die wichtigsten Preise der Branche gewann: einen Oscar für "Cabaret", einen Tony für das Broadway-Stück "Pippin" und einen Emmy für die Fernsehregie von "Liza with a Z".

Also brauchen wir uns um das Stück keine Sorgen zu machen. Eher um die Besetzung: Richard Gere hat am Anfang seiner Karriere tatsächlich mal die Hauptrolle von "Grease" auf der Bühne gesungen - vor John Travolta wohlgemerkt! Er tanzt und singt noch immer recht sicher, auch wenn sein spannendes Stepp-Solo ganz sicher gedoubelt wurde. "Chicago" hat zwei andere Probleme, nämlich die Hauptdarstellerinnen dieses Films. Renée Zellweger bleibt blass, hat kaum Ausstrahlung, ihr glaubt man den Bühnen-Star zu keinem Zeitpunkt. Ihr verzweifelt trauriges Grinsen mit immer zugekniffenen Augen ging perfekt in "Bridget Jones" auf, für die Rolle der Roxie - obwohl entfernt mit "Nurse Betty" verwandt - eignet sich Zellweger nicht.

Catherine Zeta-Jones hat zwar Ausstrahlung, aber Tänzerin? Die Geschichten von frühen Tanzeinlagen in ihrer Karriere können nur eine PR-Märchen sein. Sie bewegt sich so schwungvoll wie ein Kaltblüter auf dünnem Eis, hat den künstlerischen Ausdruck eines bulgarischen Bodenturners. So sind die Tanzszenen von kurzen Schnitten betont, weil der tänzerische Ausdruck der beiden Damen allein die Aufmerksamkeit der Kamera nicht fesseln kann. Die Tanznummern an sich zeigen zeitweise Oberflächlichkeit, die böse an Verhoevens Megaflop "Show Girls" erinnert. Das ist besonders schade, weil die Montage ansonsten sehr kunstvoll die Revue- und die reale Ebene miteinander verbindet, schnellen Tanz und schnellen Sex verquickt. Das vorherrschende Star-System, bei Festivals und Werbung immer beliebt, verhindert hier, dass die geeignetere Künstler den besseren Film gesungen und getanzt hätten. Die Flut von acht Golden Globe-Nominierungen für "Chicago" erscheint in diesem Licht völlig unverständlich.

Doch zum Glück gibt es genügend Nummern ohne die beiden "Leading Ladies", genügend eindrucksvolle Szenen wie die schillernde Einführung ins Justizwesen durch Billy Flynn. Motto: Es ist alles ein nur ein Zirkus, alles ist Showbusiness, selbst eine Hinrichtung wird als Famous Ungarian Disapearing Act glamourös aufgezogen. So ist es ein Glück, dass die Nummernrevue "Chicago" auf so vielen attraktiven Beinen steht, dass ein paar Schwachstellen das leichte Vergnügen nicht trüben.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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