Bram Stoker's Dracula

"Von Vampyren, erschröcklichsten Geistern, Zaubereyen ..."

Verstreute Texte und "Bram Stoker's Dracula"

Francis Ford Coppolas "Dracula" ist nicht nur eine für ihn typische Oper der Schaulust mit berauschenden Einzelszenen, die mehr als das auseinanderfallende Ganze faszinieren. In der Story recht quellengetreu Bram Stokers Dracula folgend, ist das Schauer-Spiel gleichzeitig ein Film der (Aufzeichnungs-) Technik.

"Und damit holte Coppola immer mehr und mehr Brillen heraus, so, daß es auf dem ganzen Tisch seltsam zu flimmern und zu funkeln begann. Immer mehr Brillen legte Coppola hin, und immer wilder und wilder sprangen flammende Blicke durcheinander und schossen ihre blutrote Strahlen in Nathanaels Brust."

Der 1897 veröffentlichte Roman besteht aus Briefen, Telegrammen, Zeitungsausschnitten, Tagebuchaufzeichnungen. Die klassische Verfilmung, "Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens" (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau, verband die Zwischentitel des Stummfilms mit der Dokumenten-Form der Vorlage. Coppola zeigt wieder, wie der Vampir (Gary Oldman in einer gelungenen, extrem wandlungsfähigen Rolle) bekämpft wird. Natürlich muß man ihm nur einen Pfahl ins Herz rammen, den Kopf abschneiden und den Mund mit Knoblauch stopfen - Nichts besonders aufregendes, wie Anthony Hopkins als Vampirjäger van Helsing lakonisch bemerkt. Doch die Jagd funktioniert über Schriften. Mina (Winona Ryder) sammelt alle Nachrichten und vervielfältigt sie für die vereinigten Vampirjäger. Ihre Freundin Lily macht sich über die "lächerliche (Schreib-) Maschine" Minas lustig. Hätte sie sich an der eifrigen Korrespondenz beteiligt, wäre van Helsings Hilfe vielleicht noch rechtzeitig gekommen. Dracula weiß im Roman, was ihn jagt: Er verbrennt Phonographenwalzen und Typoskripte, verliert aber doch das Rennen auf dem Segelschiff, weil die Gegner per dampfgetriebener Eisenbahn schneller als die teuflischen Winde sind.

Natürlich können sich auch Vampire dieser Kommunikationsmittel bedienen. Dem Schriftsteller Kafka wird nachgesagt, er hätte im Schriftverkehr mit seiner Verlobten Felice Bauer Kraft und Material zum Schreib-Prozeß gewonnen. Der Vampir Kafka saugte mittels seiner Berliner Medienschaltstelle 'Bauer' - Angestellte der Parlographen- und Diktiergerätefirma Lindström - Informationen über die Welt und ihre neuesten technischen Errungenschaften. Wie den Parlographen, mit dem die Entwicklung des wahnsinnigen Renfield (Tom Waits), der das Nahen seines dunklen Meisters ankündigt, in Coppolas "Dracula" aufgezeichnet wird.

"Übermannt von tollem Entsetzen schrie er auf: 'Halt ein! halt ein, fürchterlicher Mensch!' - Er hatte Coppola, der eben in die Tasche griff, um noch mehr Brillen herauszubringen, unerachtet schon der ganze Tisch überdeckt war, beim Arm festgepackt, Coppola hatte alle Brillen zusammengerafft, eingesteckt und aus der Seitentasche des Rocks eine Menge großer und kleiner Perspektive hervorgeholt."

Coppola erliegt mit seiner Heldin Mina den Verführungen eines galanten Vampires. Er ehrt kurz das früheste Kino, einen 'amazing cinematograph' in London, und verläßt dann die Spur der Aufzeichnungsmaschinen, um den Weg einer ewigen Liebe zu verfolgen. Die Textquellen ersetzt er durch eigene Kamera-Schriften und -Perspektiven. Der Sturm um Draculas drohend nahendes Schiffs überträgt sich auf das schwankende Bild ganz Londons. Die rettende Vereinigung zwischen Mina und Harker sowie die tödliche von Dracula und Lily kulminieren, wie schon bei der Hochzeit des "Paten", in einer furiosen Parallelmontage. Coppola erzeugt eine Stilvielfalt, die den Verwandlungen des Blutsaugers in Riesenfledermäuse, Ratten und Wehrwölfe entsprechen.

"Zudem hatten alle Gläser die Coppola nun auf den Tisch gelegt, gar nichts Besonderes, am wenigsten so etwas Gespenstisches wie die Brillen und, um alles wieder gut zu machen, beschloß Nathanael dem Coppola jetzt wirklich etwas abzukaufen. Er ergriff ein kleines, sehr sauber gearbeitetes Taschenperspektiv und sah, um es zu prüfen, durch das Fenster. Es schien, als wenn nun erst die Sehkraft entzündet würde; immer lebendiger und lebendiger flammten die Blicke."

Die Gehilfen bei der Geisterjagd waren E.T.A. Hoffmann (Zitate aus 'Der Sandmann'), Friedrich Kittler (zu Stokers 'Dracula') und Klaus Theweleit (Kafkas Briefe). Harry van Leuken.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

realisiert durch

Ein Service von

arena internet service

FILMtabs-Logo