Eine auswärtige Affäre
USA 1948 (A foreign affair) Regie: Billy Wilder, 115 Min.
Ganz anders als in seiner späteren Berlin-Komödie "Eins, zwei, drei" (1968 entstanden und heute abend in der Langen Kinonacht zu sehen) inszenierte Billy Wilder bei "A foreign affair" seinen menschenfreundlichen Humor. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt die Perspektive aus dem Flugzeug eine Trümmerlandschaft. Auch die einfliegende Moral-Delegation des amerikanischen Kongresses ist schockiert von der effektiven Zerstörung, die ihre Steuergelder anrichteten. Nur Miss Phoebe Frost bleibt so kühl wie ihr Name und erledigt zuerst den Schreibkram. Während ihre männlichen Kollegen Abgeordnete sich später vom Standard-Programm einlullen lassen, verfolgt Miss Frost mit preußischem Plichtverständnis als einzige ihren Auftrag: Die Untersuchung des moralischen Verfalls bei den US-Besatzern in Berlin. Auf dem Schwarzmarkt werden Uhren, Nylons, Zigaretten, Leuchter und Anzüge getauscht. Daß eine Schokoladentorte zum Menschenauflauf führt, zeigt satten Kinogängern sehr viel über damalige Entbehrungen. Miss Frost, die von einem unbeteiligten, scheinbar gefühlslosen Standpunkt her die moralischen Abwege der GI's anprangert, findet mit Captain Pringle nur scheinbar einen engagierten Mitstreiter. Tatsächlich hat der gerissene Johnny ein Verhältnis mit der Nachtklub-Sängerin Erika von Schlütow und deckt sogar deren Nazi-Vergangenheit. Letztendlich muß sogar Miss Frost ihre Gefühls-Objektivität aufgeben und den Liebeskampf mit der göttlichen Marlene Dietrich aufnehmen.
Die gelungene Billy Wilder-Komödie ist vor allem auch ein glänzender Marlene Dietrich-Film. Entgegen ihrer privaten Rolle zeigt sich die Exilantin als Erika von Schlütow mit Nazi-Größen liiert. Sie scherzt mit Hitler und will auch die Befreier mit "Heil Johnny" grüßen.
Billy Wilder inszenierte jedoch nicht einseitige Stereotype von den bösen Deutschen. Einzige Ausnahme: Ein kleiner Polizist mit Bart und Statur Hitlers, der die Inhaftierten nach einer Razzia anschnauzt: "Was? Ist ja unglaublich! Sie versuchen zu leben ohne Erlaubnis?" Erika von Schlütow dagegen ist zwar Opportunistin, aber vor allem eine selbstsichere, schlagfertige und vielbegehrte Frau. Dazu tragen vor allem ihre Auftritte in der düsteren Bar "Lorelei" bei, wo die alten Verhältnisse den Bach 'runter gespült werden. Die blonde Schönheit singt "Illusionen" und ihr Liebhaber spiegelt währenddessen der aufgetauten Miss Frost Leidenschaft vor. Während Marlene mit ihrem Sprechgesang für sarkastische Höhepunkte sorgt, sitzt der für die Musik Verantwortliche hinter ihr am Klavier. Friedrich Hollaender gab sich mit einer kleinen Rolle die Ehre.
Auch in der Ästhetik von "A foreign affair" zeigt sich, wie ernst der Komödiant im Exil Wilder die deutschen Nachkriegsverhältnisse nimmt. Das dunkle und vielfältig beschattete Berlin, das Wilder als amerikanischer "Filmoffizier" kennenlernte, wird auch bei den Studioaufnahmen nicht von einer erleichternden Helligkeit aufgelockert. Obwohl "A foreign affair" sich über niemanden lustig macht, ist er eine sehr schöne, intelligente Komödie, die weder Besetzer noch Besetzte ungeschoren davonkommen läßt.
Günter H. Jekubzik
Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik
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