Alexander

GB/BRD/NL/Fr 2004 (Alexander) Regie: Oliver Stone mit Colin Farrell, Angelina Jolie, Val Kilmer 176 Min. FSK ab 12

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Wer war Alexander der Große, den die Griechen sogar "Megas Alexandros" - Alexander der Größte - nennen? Ein Eroberer, der im Alter von 25 Jahren bereits 90 Prozent der damals den Griechen bekannten Welt erobert hatte. Aber von solcher Art gibt es schließlich mehrere: Cäsar, Dschingis Khan, Karl der Große, Napoleon, Hitler ... nur um eine kleine Auswahl zu geben. Regisseur Oliver Stone versucht in einem fast dreistündigen Epos gleichzeitig das Ausmaß der Eroberungen exotisch zu bebildern und eine getriebene Person zu charakterisieren.

Es beginnt mit dem Ende. Stone zeigt, dass er seine Filmgeschichte kennt: Aus der Hand des sterbenden Alexander (Colin Farrell) entgleitet ein schwerer Ring, fällt zu Boden. Es erklingt kein geröcheltes "Rosebud" wie bei "Citizen Kane", aber die Bedeutung des Ringes werden ähnlich wir im Laufe von Alexanders abenteuerlicher Lebensreise erfahren. Alle Handlung, all die übermenschlichen Taten, die Alexander auf eine Stufe mit Halbgott Herkules stellen, siedelt Oliver Stone im Spannungsfeld zweier Emotionen an. Da ist die verzehrende Liebe seiner Mutter Olympia (Angelina Jolie), einer ungeliebten, weil fremden Königin am mazedonischen Hofe. Die starke Frau bereitet den Knaben auf die Ränke um die Thronfolge Philips vor, auf Neider und Widersacher, auf die Notwendigkeit zu töten, als erster zuzuschlagen. Als Philip tatsächlich ermordet wird und Alexander König der Mazedonier ist, bricht er zu einem jahrelangen Eroberungszug auf. Mehr ein Getriebener als Eroberer und Entdecker. Ruhe- und Ziellos treibt er seine Armee immer weiter. Vermisst die Welt neu. Herr Freud aus Wien würde sagen, Alexander versucht, dem ödipalen Verhältnis zu fliehen - bis nach Indien sowie auf Kosten zahlloser Kriege und Opfer! Doch Herr Freud hatte damals noch keine Praxis und so beschwert sich selbst der deutsche Produzent Thomas Schühly über die aufdringliche Psychologisierung.

Als steter Freund und auch sexueller Partner begleitet Hephaistion (Jared Leto) Alexander auf seinen Kriegszügen. Trotz mehrerer Ehen hängt das Herz des Herrschers vor allem am Freund, von diesem stammt auch der Ring. Es war ein Hochzeitsgeschenk und die heißblütige Braut erkennt sofort den Nebenbuhler. Doch diese emotionalen Dramen sind Randerscheinungen. Ebenso die aufwändig inszenierten Schlachten. Hier ist die Dramaturgie konventionell: Eine Rede als Vorspeise, die Begeisterung der treuen Soldaten, das glorifizierte Gemetzel und nachher rührseliges Wundenlecken unter der unüberhörbaren Musik von Vangelis. Oliver Stone verzichtete auf seinen üblichen cinematographischen Overkill, man hat Zeit für die Sinnfrage: Historische Größe, die über Eroberungen definiert wird, wirkt schal und überkommen, wenn 2300 Jahre später immer noch Kriege aus den gleichen primitiven Gründen geführt werden.

Und zwischen all dem bleibt Alexander der Große ein Rätsel. Stones Porträt zeigt viele Facetten seines "Alexander", doch es bleiben Bruchstücke, Alexander sieht man fragmentarisch wie bei einem der antiken, unvollständigen Mosaike. Was an sich nicht schlimm ist - nur es stände einem Arthouse-Film besser als einer 160 Mio. Produktion. Aber in der heutigen Kinolandschaft gilt ein Film schon als sehenswert, wenn besonders viel Geld fürs Massenmorden "verpulvert" wird.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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