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A la place du coeur

Fr. 1998 (A la place du coeur) Robert Guediguian, 113 Min.

Sie kennen sich seit Ewigkeiten. Clementine, genannt Clim, und Francois, der seit Kinderzeiten Bébé heißt, bekommen jetzt selbst ein Baby. Sie ist zwar erst 16 und er 18, doch das eigentliche Hindernis zu ihrem Glück ist die Tatsache, daß Bébé im Knast sitzt. Der junge Franzose mit schwarzer Hautfarbe hatte das Pech, einem rassistischen Polizisten ins Auge zu fallen. Der hing ihm mit einer Falschaussage eine Vergewaltigung an.

Robert Guediguian, der in Deutschland mit dem liebevoll volkstümlichen "Marius & Jeanette" viele Menschen begeisterte, verließ mit diesem neuen Film erstmals sein vertrautes Hafenviertel. Jetzt zeigt er mit dem gleichen Darsteller-Trio ganz besondere Perspektiven von Marseille: Die Hinterhöfe, die Stadtautobahnen auf Höhe der Balkone, Kneipen. Ebenso präsent wie die Polizei im Straßenbild thront weißstrahlend die Kathedrale über Marseille.

Ein sehr zärtlicher erster Liebesakt, ein ernst herzliches Heiratsgespräch mit Clims Familie, die innige Freundschaft der werdenden Großväter - alles intensive Momente. Doch vor allem der im Off gesprochene Text von Clim und die Klavierstücke von Franz Liszt geben der Ereignissen eine satte Bedeutungsschwere. Die Leichtigkeit des Glücks wirkt ebenso unerschütterlich wie später die Verzweiflung tief.

Um die eine zentrale Geschichte (nach einer Vorlage von James Baldwin) rankt sich ein großes Ensemble mit vielen diversen Figuren. Ganz eigen beispielsweise die blonde Adoptiv-Mutter von Bébé. Sie wechselte die Namen ihrer dunkelhäutigen Kinder in Francois und Blondie! Der religiöse Wahn entfernte sie von ihrem Mann Franck. Auch den harten Arbeitskampf der Väter, der sie so desillusionierte, bringt Guediguian, der Regisseur der Arbeiter, nachhaltig ins Bild. Die Aufnahme Franks in der Werft, verschwindend klein zwischen massige Ankerketten, übersetzt eindringlich ein Gefühl von Nichtigkeit. Das erklärt auch die Freude und den hoffnungsvollen Einsatz der Männer für die junge Liebe und den Nachwuchs.

Das klingt nach nur einfachen Momenten aus einfachen Leben, doch im Vergleich dazu kann nichts anderes "bigger than life" sein! "A la place du coeur" ist alltäglich und doch sehr erhaben in seinem Blick aufs Leben. Die gelungenen Überleitungen zwischen den Szenen verbinden elegant das Spiel der Zeitebenen. Kindheitserinnerungen, die Entwicklung der Liebe von Clim und Bébé, die Besuche im Gefängnis und - als sehr eigenständiger Teil - die Reise von Clims Mutter nach Sarajewo zur vergewaltigten Frau.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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