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Berlinale 1996 - Die Preise

 

Berlin. Ein Festivalwettbewerb auf gutem Niveau fand gestern mit der Vergabe der Bären-Preise seinen Abschluß. Die Jury unter der Leitung des Russen Nikita Michalkov hat sich wohl vortrefflich unterhalten und entschied sich dementsprechend für gute Kinokost ohne aufrüttelnde oder verstörenden Elemente. Die Reihe der prämierten Filme, die allesamt entrückt im Historischen spielten, eröffnete "Sinn und Sinnlichkeit" mit dem Hauptpreis, dem Goldenen Berliner Bär. Die schönen, gefühlvollen Frauengeschichten - nach einem Roman Jane Austens von Emma Thompson umgeschrieben - zeigten in besserer englischer Gesellschaft das Leid am Geldmangel und an üblen Männern. Der Taiwaner Ang Lee erntete damit nach "Das Hochzeitsbankett" seinen zweiten Gold-Bären.

Nur in die vierziger Jahre unseres Jahrhunderts begab sich die Story von "Schön ist die Jugendzeit". Die Liebe eines Schülers zu seiner Lehrerin überrascht mit der erfrischenden sexuellen Freiheit Skandinaviens. Hervorragende Darsteller schaffen Gefühl, Humor und Dramatik. Letztere gelang ganz ohne bedrückende Schuldgefühle. Der Wechsel der Lehrerin von junger Liebe zu häßlichem Begehren und besoffener Verzweiflung hätte einen Darstellerpreis verdient. Es gab den Silbernen Bären als Spezialpreis der Jury. Eine Oscarnominierung läßt noch mehr erhoffen.

Zwei Silberne Bären als Regiepreise gingen zu gleichen Teilen wieder in die Vergangenheit. Richard Loncraine versetzte Shakespeares "Richard III" effektvoll in die Dreißiger, nahm ihm aber auch dramatische Kraft. Eine Frau im China der Zwanziger zwischen Grundbesitzern, Gangstern und Soldatenbanden, das erzählte Yim Loo in "Tai Yang You Er" (Die Sonne kann hören) packend und mit ansprechenden Bildern.

 

Die Jury prämierte durchgehend reibungslosen Genuß ohne Reue. Diese Filmhaltung zeigte sich auch während der Berlinale-Tage: Dreifach gab es zum Beispiel Erpresser und Geldeintreiber als Thema. "Schappt Shorty" wurde als Komödie genossen, "Im Würgegriff" als zäher, italienischer Langeweiler ertragen. Aber beim dänischen "Portland", einer ästhetisch wie inhaltlich harten, aggressiven Geschichte, strömten die Menschen während der Vorstellung aus dem Saal. Der exzellente, aber schwierige, der humane, aber politisch in den USA sehr riskante "Dead Man Walking" erhielt nur einen Darstellerpreis für Sean Penn.

 

So war der diesjährige Wettbewerb - ohne Dokumentationen oder Experimente - ein Hort des Internationalen Mainstreams. Entdeckungen ferner Kulturen, junger Stile oder kontroverser Themen waren nur im Internationalen Forum des Jungen Films und teilweise im Panorama zu machen.