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Berlinale 1996 - Politik im Film

Berlin. Vor "Nixon", Oliver Stones neuem Polit-Epos nach "J.F.K.", zogen am Dienstag alle die Mütze - auf. Heftiger Schneefall und die gleichzeitige Verteilung der Werbe-Kappen zu "Nixon" führten dazu, daß selbst die größten Stone-Hasser mit dessen neuem Film Werbung liefen. Das dreistündige Werk (im Wettbewerb außer Konkurrenz) bildet einen weiteren Teil von Stones filmischer US-Historie, in der einem umstrittenen und - im Fall des Watergate-Einbruches eindeutig - kriminellen Präsidenten viele gute Seiten angedreht werden. Anthony Hopkins imitiert und schöpft einen unsicheren Menschen, der Weltgeschichte schrieb und wegen seiner recht freien Rechtsauffassung vom Amt zurücktrat. Natürlich fehlen die üblichen stone'schen Verschwörungstheorien in Richtung des Kennedy-Mordes nicht, aber nie waren seine ästhetischen Spielereien so erträglich wie in "Nixon". Neben der generellen Gefahr bei personifizierter Geschichte bleibt das Hauptproblem des kurzweiligen Films: Who cares? Zu deutsch: Wen soll die detaillierte Aufarbeitung amerikanischer Traumata eigentlich interessieren?

Michael Verhoevens "Mutters Courage", die tatsächlich originelle Holocaustgeschichte der Mutter von George Tabori, liegt den Europäern und Deutschen viel näher. Erzählend läuft der greise Tabori immer wieder durch die Handlung. Komiker wie Chaplin und Tati werden von Nazischergen oft zitiert. Diese verspielte Form macht immer wieder klar, daß der Film in keinster Weise das Grauen des Judenmordes darstellen kann und will. Wie Taboris Mutter als einzige Jüdin aus einem Güterzug mit über 4000 aus Budapest Deportierten überlebte, ist ein seltsames Ereignis, das trotzdem sehr viel verdeutlich und wieder erinnert. Im Geiste seiner Filmfigur "Das schreckliche Mädchen" hält Verhoeven schreckliche deutsche Geschichte im Gedächtnis ohne sich zu wiederholen. Die in Berlin uraufgefürte Version von "Mutters Courage" läuft außer Wettbewerb, weil Verhoeven den Film schon beim Festival von Vancover zeigte. Zwar in anderer anderer Fassung, aber so sind die Regeln im weltweiten Festival-Wettbewerb: Nur mit internationalen macht man sich einen Namen.

Der polnische Altmeister Andrzej Wajda enttäuschte mit seinem Film "Karwoche" über das Schicksal einer Jüdin außerhalb des brennenden Warschauer Ghettos. Die Aufarbeitung der polnischen Positionen rund um die versteckte Irena läßt filmische Ideen vermissen.

In politischer Richtung wird heute abend "Dead Man Walking" für Sensation sorgen: Tim Robbins setzt sich und seine langjährige Lebenspartnerin Susan Sarandon energisch gegen die Todesstrafe ein. Und das in USA kurz vor den Wahlen. Dafür regnete es Oscarnommierungen und es sollte auch der eine oder andere Bär zu gewinnen sein, da bislang keine anderen politisch und filmisch relevante Beiträge in der Wettbewerbskonkurrenz entdeckt wurden.