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Einhundertvier
Für die Geflüchteten stellt sie meist das Ende einer langen Reise über Land dar. Jonathan Schörnig konzentriert sich in seinem Dokumentarfilm ganz auf die Seenotrettung. In rund 90 Minuten ungeschnittener Echtzeit kann mitverfolgt werden, wie 104 Männer auf der Flucht nach Europa von einem sinkenden Schlachboot im Mittelmeer geborgen werden und an Bord der Lifeline 3 Rettung finden. Dabei ist das Bild unterteilt in sechs Kacheln, die die Perspektiven verschiedener Kameras auf dem Schiff und auf dem Rettungsboot zeigen. So lassen sich von Beginn an die Emotionen der Crew mitfühlen, es herrscht eine kontinuierliche Anspannung, während das Gummiboot zu sinken droht und die libysche Küstenwache näher rückt. „Einhundertvier“ zeigt auch, mit welchen Herausforderungen die Beteiligten einer Rettungsaktion konfrontiert sind: Sprachbarrieren erschweren die Kommunikation mit den Menschen auf dem Boot, die Ruhe bewahren sollen – Nicht zu viel Bewegung, sitzen bleiben, Geduld. Immer zehn Menschen können auf dem kleinen Rettungsboot mitgenommen und zum Schiff gebracht werden. Da die Zeit abläuft, müssen mit einem gefährlicherem Manöver die übrig gebliebenen 40 Personen direkt vom Schlauchboot auf das Schiff klettern. Doch damit sind sie noch nicht in Sicherheit. Tagelang harren die Geretteten und die Crew auf hoher See aus, da kein Mittelmeerland ihnen erlaubt anzulegen. Erst nach einem schlimmen Sturm erbarmt sich ein Hafen. Das gerettete Schlauchboot war das einzige von vier gemeldeten Booten, das an diesem Tag gefunden werden konnte. „Einhundertvier“ zeigt eindringlich, warum die entbehrungsreiche Arbeit von Menschen wie der Besatzung der Lifeline 3 so wichtig ist und Tag für Tag Menschenleben rettet. Der Film verzichtet auf Erklärungen, dramatische Musik oder Effekte. Er zeigt die ungeschönte, schmerzhafte Wahrheit. Beim DOK Leipzig gab es dafür die Goldene Taube im Deutschen Wettbewerb.
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- Publiziert von:
- Lars Tuncay, 26.05.2024 / 1:27
- Rubrik:
- Kritiken LT
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