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Das Lehrerzimmer

D 2022, R: İlker Çatak, D: Leonie Benesch, Anne-Kathrin Gummich, Michael Klammer, 98 Min.

Carla Nowak (Leonie Benesch) geht auf in ihrem Job. Für sie ist der Beruf der Lehrerin eine Berufung. Morgens gestaltet sie liebevoll und einfallsreich den Unterricht ihrer siebten Klasse. Abends ist sie oft die Letzte im Lehrerzimmer und korrigiert noch Arbeiten. Aber die Stimmung an ihrer Schule ist vergiftet. Jemand klaut und verdächtigt werden die Schüler und Schülerinnen ihrer Klasse. Um ihre „Zero Tolerance“-Taktik durchzusetzen, lässt Schulleiterin Bettina Böhm (Anne-Kathrin Gummich) die Schülersprecher der Klasse verhören und die Portemonnaies der Kinder filzen, was Carla hilflos mitansehen muss. Bei Ali Yilmaz (Can Rodenbostel) wird auffallend viel Geld gefunden und auch als die Eltern einbestellt werden und bestätigen, ihrem Sohn das Geld gegeben zu haben, bleibt ein Restverdacht bei der Direktorin und einigen Kollegen. Schlimmer ist allerdings, dass sich das Gerücht, Ali könnte klauen, innerhalb der Klasse verbreitet wie ein Lauffeuer. Als es zu einem Zwischenfall kommt, der ein anderes Licht auf den Fall wirft, beschließt Carla, die Schulleitung einzuschalten. Dieser Schritt setzt eine Ereigniskette in Gang, die die Klassenlehrerin schon bald nicht mehr unter Kontrolle hat.

Sehr genau beobachtet Regisseur İlker Çatak („Es gilt das gesprochene Wort“) die Strukturen an einer durchschnittlichen deutschen Schule. Der Schmelztiegel der Befindlichkeiten ist auch ein Spiegel unserer Gesellschaft. Auch wenn die Situation hier und da ein wenig überdramatisiert wirkt, findet sich doch jeder, der Kinder im schulfähigen Alter hat, in Çataks ernüchternder Analyse wieder. Clever und pointiert hinterfragt das Drehbuch, das Çatak gemeinsam mit Johannes Duncker verfasste, auf kritische Weise unsere aktuelle Debattenkultur und entfacht eine grundlegende Diskussion rund um Wahrheit und Gerechtigkeit.

Leonie Benesch, die als 18-Jährige in Michael Hanekes „Das weiße Band“ ihr beeindruckendes Schauspieldebüt gab, spielt die Klassenlehrerin einnehmend als Opfer eines maroden Systems. Der Film entfaltet seine Geschichte komplett aus ihrer Perspektive. Benesch trägt ihre Aufgabe mit Bravour und bietet einen emotionalen Fixpunkt für den Zuschauer. In den weiteren Rollen eines starken Ensembles sind unter anderem Eva Löbau („Der Wald vor lauter Bäumen“) und Michael Klammer („Enfant Terrible“) zu sehen. Kamerafrau Judith Kaufmann („Corsage“) zeichnete für die eindringliche Bildgestaltung verantwortlich. Im quadratischen Verhältnis 4:3 gefilmt, sorgt sie für zusätzliche Beklemmung im dargestellten Schulalltag.

„Das Lehrerzimmer“ ist sowohl formal als auch inhaltlich ein bemerkenswerter Film. Ein Angebot zur Diskussion brennender Fragen, wie wir in einer zeitgemäßen Gesellschaft leben, lehren und lernen wollen. Seine Weltpremiere feierte er auf der Berlinale in diesem Jahr in der Sektion Panorama und erhielt das Europa Cinemas Label als bester europäischer Film sowie den CICAE Arthouse Cinema Award und wurde in sieben Kategorien für den Deutschen Filmpreis nominiert, u.a. als Bester Spielfilm und Leonie Benesch für die Beste weibliche Hauptrolle.


Ein FILMtabs.de Artikel