« | Home | »

Empire of Light

Großbritannien, USA 2022, Regie: Sam Mendes, mit Olivia Colman, Micheal Ward, Tom Brooke, 116 Min., FSK: ab 12

In einem englischen Seebad prunkt Anfang der 80er Jahre der herrliche Kinopalast „Empire“ am Strandboulevard. Zwei große Säle und ein traumhafter Tanzsaal, der geschlossen und den Tauben überlassen wurde. Im „Empire“ arbeitet die einsame Kinomitarbeiterin Hilary (Olivia Colman) an der Kasse und bei den Süßigkeiten. Zwischendurch verrichtet die ältere Frau auch sexuelle Dienstleistungen für den verheirateten Chef (Colin Firth). Das dämpfende Lithium-Medikament gegen die Gefühlsschwankungen ihrer bipolaren Störung macht Hilarys trauriges Leben noch trostloser. Als der junge Schwarze Stephen (Micheal Ward) als neuer Arbeitskollege eingestellt wird, verguckt sich Hilary direkt in ihn und auch er sucht ihre Nähe. Eine Taube mit gebrochenem Flügel, die von Stephen gerettet wird, könnte als Metapher verstanden werden, macht Hilary vielleicht Hoffnung auf Heilung. Sie nimmt ihre Tabletten nicht mehr und entdeckt das Lachen wieder. Doch die entstehende heimliche Beziehung mit großem Altersunterschied leidet unter wachsendem Rassismus in der jungen Bevölkerung ebenso wie unter Hilarys wiederkehrenden Wutausbrüchen.

Es sind die 80er Jahre, im Kino laufen „Blues Brothers“ und auf dem Walkman der Jugend Ska-Bands wie „The Specials“. Aber es gibt ebenso rechtsradikale Skinheads, die Gesellschaft verhärtet sich unter der Regierung Maggie Thatchers. Bei einem brutalen Überfall von Anhängern der „National Front“ wird Stephan zusammengeschlagen. Sein Kommentar im Krankenhaus: „Es ist, wie es immer war. Das ist meiner Mutter passiert, es passiert mir und wird wohl auch noch meinen Kindern passieren.“

Auch Sam Mendes, Ex-Mann und Regisseur von Kate Winslet („Zeiten des Aufruhrs“ 2008), schwelgt nun in „Empire of Light“ in Kino-Erinnerungen wie Spielberg bei „The Fabelmans”. Zwar geht der 1965 geborene Engländer zurück in die 80er Jahre, es könnte also seine Jugend sein, doch „Empire of Light“ erzählt andere Geschichten. Während das Zeitkolorit zwischen steifer Gesellschaft und jugendlicher Rebellion geschildert wird, macht Mendes klar, dass mit Punk und Ska auch Rassismus daherkam. Zentral ist das gestörte Gefühlsleben der mit ungeheurem expressiven Spiel von Olivia Colman („The Crown”, „The Favourite – Intrigen und Irrsinn”) dargestellten Hilary. Es ist ihre Tragödie, aus dem das Kino einen Ausweg zeigt. Denn nach Jahren der Arbeit im „Empire“ sieht sie sich endlich selbst einen Film an. Das Werk, das ihr eine Flucht anbietet, ist Hal Ashlys wunderbarer „Being There“ mit Peter Sellers – die Geschichte eines Mannes, der aus einer selbstgewählten Isolierung heraustritt.

„Empire of Light“ ist ein bewegendes Melodram und vielschichtiges Drama mit erlesener Besetzung. Colin Firth („The King’s Speech – Die Rede des Königs”, „A Single Man”) und Tom Brooke („Say Your Prayers”, „The Death of Stalin”) glänzen in Nebenrollen als Kino-Chef und Vorführer. Die Kamera von Roger Deakins („James Bond 007: Skyfall“, „No Country for Old Men“) schwelgt in Ansichten des Kinos „Empire“ und anderer Architektur. Von außen sieht der kantige Klinker-Prachtbau aus wie ein Hopper-Gemälde, innen sind die Leiden der echten Menschen größer als die auf der Leinwand.

{CAPTION}


Ein FILMtabs.de Artikel