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Holy Spider

Dänemark, Deutschland, Schweden, Frankreich 2022, Regie: Ali Abbasi, mit Zar Amir Ebrahimi, Mehdi Bajestani, Arash Ashtiani, 119 Min., FSK: ab 16

Seit Wochen gehen überall im Iran tausende Frauen auf die Straße, um gegen die Diktatur der Imams und ihres geistlichen Führers zu demonstrieren. Dabei gehen sie das Risiko ein, getötet oder eingesperrt und misshandelt zu werden. Die Übermacht des Systems, gegen das sie antreten, macht Ali Abbasis »Holy Spider« deutlich.

Basierend auf wahren Ereignissen, die rund zwanzig Jahre zurück liegen, erzählt der finstere Neo-Noir-Thriller vom Fall eines Serienmörders, der auf den Straßen der geistlichen Hauptstadt Mashhad Prostituierte tötet. Nachts gibt sich Saeed Azimi (Mehdi Bajestani) als Freier aus, lockt die von der Drogensucht und dem Leben auf der Straße gezeichneten Frauen auf sein Motorrad, um sie in seiner Wohnung zu erdrosseln. Er sieht sich als Prophet Allahs, gesandt, um die Straßen vom sittlichen Verfall zu reinigen. Tagsüber ist Saeed ein unbedarfter Familienvater, der allerdings deutliche Züge einer posttraumatischen Belastungsstörung aus seinem Kriegseinsatz mit sich trägt.

Neun Frauen hat Saeed bereits getötet, als die Kriminalreporterin Arezoo Rahimi (Zar Amir-Ebrahimi) in Mashhad eintrifft. Die Polizei tappt weiterhin im Dunkeln. Die Einwohnerinnen der Stadt leben in Angst. Von den Männern befürworten nicht wenige das Vorgehen des Täters. Die junge Frau trifft auf eine Mauer des Schweigens, auf Verachtung und Missgunst, als sie selbst beginnt zu ermitteln und dabei auch ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt.

Drastisch und brutal schildert der in Dänemark lebende und aus dem Iran stammende Regisseur Ali Abbasi (»Border«) den Fall. Während die Taten ungefiltert effektvoll schockieren, ist die Hilflosigkeit, mit der die weibliche Protagonistin den patriarchalischen Strukturen gegenübersteht, der eigentliche Horror. Der Mörder ist ein geachteter Bürger und trägt seinen Glauben vor sich her, eine Instanz, der sich in der iranischen Gesellschaft alles unterzuordnen hat. „Meine Absicht war es nicht, einen Serienmörderfilm zu drehen“, sagt Regisseur Abbasi. „Ich wollte vielmehr einen Film über eine Serienmörder-Gesellschaft machen. Es geht um einen in der iranischen Gesellschaft tief verwurzelten Hass auf Frauen, der nicht unbedingt religiös oder politisch motiviert ist, sondern einen kulturellen Ursprung hat.“

Dennoch steht Abbasis Film knietief in der Genretradition. Zwielichtige Gassen und lange Schatten in einer drogengeschwängerten Halbwelt halten die Spannung hoch. Abbasis gnadenlose Inszenierung nimmt dem Zuschauer jede Sicherheit. Zu verdanken ist das auch den Darstellern und Darstellerinnen. Zar Amir-Ebrahimi („Morgen sind wir frei“) überzeugt als willensstarke Rahimi und erhielt in diesem Jahr verdientermaßen den Preis als beste Darstellerin in Cannes. Mehdi Bajestani als Saeed pendelt einnehmend zwischen dem liebevollen Umgang mit der Tochter und wahnhafter Brutalität. »Holy Spider« geht tief unter die Haut und ist nichts für Zartbesaitete. Die alltägliche Realität für die Frauen im Iran ist aber wohl noch wesentlich grausamer.


Ein FILMtabs.de Artikel