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The Banshees of Inisherin

Irland, Großbritannien, USA 2022, Regie: Martin McDonagh, mit Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon, 115 Min., FSK: ab 16

Während der irische Bürgerkrieg auf dem Festland wütet, entzweien sich zwei alte, kauzige Freunde auf der vergessenen Insel Inisherin. Martin McDonagh, Regisseur von „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ und „Brügge sehen… und sterben?“, begeistert mit einer besonders schönen Erzählung von besonders bitterer männlicher Grausamkeit.

Es ist Routine oder gar Tradition, dass Pádraic Súilleabháin (Colin Farrell) seinen alten Freund Colm Doherty (Brendan Gleeson) um zwei Uhr abholt, um gemeinsam in den Pub des Dorfes zu gehen. Dass Colm diesmal nicht auf das Klopfen reagiert, wird nicht allzu ernst genommen. Seltsames Verhalten scheint hier normal zu sein. Doch als sich die beiden schließlich im Pub begegnen und Colm mit seinem Bier konsequent an einen anderen Tisch geht, ist ein unerhörtes Ereignis auf der Insel.

Sie sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Charaktere: Pádraic einfältig, ohne Bildung, aber ein guter Kerl. Er nimmt sein geliebtes kleines Maultier, das alle verspotten, am liebsten mit in die Wohnung, die er mit seiner Schwester Siobhan Súilleabháin (Kerry Condon) teilt. Colm hingegen, der jedes Gespräch freundlich, aber bestimmt ablehnt, ist Violinspieler und Komponist, immer wieder kommen Schüler zu ihm. Er wolle die letzten Jahre seines Lebens nicht vertrödeln, erklärt er. Das Geschwätz mit Padraic würde ihn nicht weiterbringen, da würde er lieber lesen und komponieren. „Ab heute mag ich dich nicht mehr.“ Der anfangs nachvollziehbare, aber auf dieser Insel deplatzierte Hochmut bekommt Flecken, wenn Colm Mozart für seine Argumentation anführt: An den erinnere man sich – nicht, weil er ein guter Kerl war, sondern wegen seiner Musik. Das Argument hat allerdings den kleinen Fehler, dass er Mozart fälschlich im 17. Jahrhundert platziert, wie Pádraics kluge Schwester Siobhan hervorhebt. Sie ist unter all den kuriosen Figuren die Einzige mit Herz und Verstand. Sie wird später Colms verrückte Idee zurechtstutzen: Ihr seid alle langweilig hier.

Trotzdem eskaliert die Situation zwischen den beiden Männern, als Colm ankündigt, er werde sich für jedes Mal, dass Pádraic ihn anspricht, mit seiner rostigen Gartenschere einen Finger abschneiden. Und diese Drohung mit erschreckender Konsequenz wahr macht. Der Streit wird bald grausamer als der Krieg auf dem Festland. Ein Streit, den Colm ohne große Bitterkeit durchzieht. Als jedoch einer seiner Finger den Tod von Pádraics Maultier verursacht, gibt es kein Verzeihen mehr.

Martin McDonagh entwirft vor herrlich irischer Kulisse (Kamera: Ben Davis) ein Panorama männlicher Dummheit mit lächerlicher Eitelkeit, verletzten Gefühlen und böser Sturheit. Der Bürgerkrieg, dessen Schüsse herüberklingen, ist Referenz in Sachen Grausamkeit. Sensationell spielen Colin Farrell und Brendan Gleeson die verfeindeten Freunde. Das Duo, das vor 15 Jahren zwei irische Auftragsmörder in „Brügge sehen… und sterben?“ spielte, feiert grandios Wiedersehen. Schon damals hieß es „Colin Farrell, der noch nie so gut war“ und erneut kitzelt Martin McDonagh das Beste aus seinen Darstellern heraus. Das gilt für die ganze Riege kantiger und hochinteressanter Figuren: Eine alte Frau kommentiert wie eine Hexe aus Polanskis „Macbeth“ das Geschehen und ein erstes Opfer bringt der von seinem Vater, einem brutalen Dorfpolizisten, misshandelte junge „Idiot“ des Dorfes. McDonagh entwirft mit großem Können und bitterem Witz ein faszinierendes und erschreckendes Menschheitsbild. Für seine herausragende schauspielerische Leistung wurde Colin Farrell bei den Internationalen Filmfestspielen Venedig als Bester Schauspieler geehrt. Martin McDonagh erhielt den Preis für das Beste Drehbuch.


Ein FILMtabs.de Artikel