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Passagiere der Nacht

Frankreich 2022 (Les passagers de la nuit) Regie: Mikhaël Hers, mit Charlotte Gainsbourg, Quito Rayon-Richter, Noée Abita, 111 Min., FSK: ab 12

Während 1981 auf den Straßen von Paris der Wahlsieg Mitterands ausbündig gefeiert wird, gibt es für Élisabeth (Charlotte Gainsbourg) eine andere Zeitenwende: Ihr Mann hat sie verlassen und nun muss sie allein ihre beiden Kinder im Teenageralter durchbringen. Dabei hätte sie noch nie gearbeitet, wie sie ihrem Vater weinend erzählt. Im Laufe der Zeit findet Élisabeth den richtigen Job bei der legendären Late-Night-Radiosendung „Les passagers de la nuit“ (Passagiere der Nacht) der bekannten Moderatorin Vanda Dorval (Emmanuelle Béart). Dort trifft die Mutter auf Talulah (Noée Abita), einen heimatlosen Teenager, den sie zu sich nach Hause einlädt und in einer Mansardenwohnung schlafen lässt. Was besonders für den Sohn Matthias (Quito Rayon-Richter) aufregend ist, der sich bald in die wilde Fremde verliebt. Bei der unsicheren Élisabeth sind eigene, vorsichtige Schritte in Sachen Liebe nach Krebserkrankung und einer Brustamputation schwieriger. Ihre Kinder gehen selbstverständlich ihren Weg, während Zögern und Staunen die Blicke der reifen Frau bestimmen.

Der französische Regisseur Mikhaël Hers zeigte schon in „Mein Leben mit Amanda“ (2018) und „Dieses Sommergefühl“ (2015) einen besonders schönen und einfühlsamen Umgang mit großen Umwälzungen des Lebens. Beide Filme behandelten in alltäglichen Szenen, wie es nach unerwartetem Tod weitergeht. In „Passagiere der Nacht“, dieser kleinen Perle aus dem Genre der Radio-Filme, fängt Hers gleichzeitig das optimistische Gefühl einer Generation im Frankreich der 80er-Jahre ein. Immer wieder schneidet er dokumentarische Alltagsszenen ein, der Rest ist wunderbarer Ausstattungs-Augenschmaus vor futuristischen Hochhauskulissen.

Kongenial füllt die großartige Charlotte Gainsbourg mit subtiler Mimik diese feinen Gefühle aus. Die Tochter des legendären Musikers und Großmauls Serge Gainsbourg wirkt immer wie ein verletzliches Reh und trifft damit genau den Zustand einer verlassenen Frau, die sich komplett neu zurechtfinden muss. Das verläuft allerdings nicht als zwanghaftes Drama, sondern spielerisch milde wie bei Eric Rohmer, dessen „Vollmondnächte“ die drei Teenager sich bei einem erschlichenen Kinobesuch ansehen.


Ein FILMtabs.de Artikel