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Die stillen Trabanten

Deutschland 2022 Regie: Thomas Stuber mit Nastassja Kinski, Albrecht Schuch, Martina Gedeck, 120 Min.

Reinigungskraft Christa (Martina Gedeck) trifft in einer Bahnhofskneipe auf die Friseurin Birgitt (Nastassja Kinski). Sie trinken zusammen, sind gemeinsam einsam und verlieben sich. Der Wachmann Erik (Charly Hübner) begegnet bei einem seiner nächtlichen Rundgänge in einem Heim für Geflüchtete der Ukrainerin Marika (Irina Starshenbaum), die ihm fortan nicht mehr aus dem Kopf geht. Jens (Albrecht Schuch) und Mario (Andreas Döhlen) haben mal davon geträumt, einen eigenen Imbiss zu eröffnen, doch jetzt ist nur noch Jens da. Abend für Abend steht er allein am Treppenhausfenster des Mietblocks und raucht – bis ihm Aischa (Lilith Stangenberg) begegnet, deren Gesicht Spuren einer gewalttätigen Beziehung trägt. Sie alle sind Nachtgestalten, die ähnlich wie in Andreas Dresens gleichnamigen Epidsodenfilm haltlos durch das Dunkel treiben. Entsprungen sind sie der Kurzgeschichtensammlung „Die stillen Trabanten“ von Clemens Meyer. Wie schon bei „Herbert“ und „In den Gängen“ adaptierte er sie gemeinsam mit Thomas Stuber für die Leinwand. Sie verknüpfen drei der Geschichten lose miteinander und finden einen ganz eigenen Rhythmus, der dem sprachlichen Takt der Geschichten von Meyer ähnelt, aber filmisch erzählt. Die Melancholie der frühen Morgenstunden, wenn man die Trabanten am Horizont erkennt, fängt Stuber in seinen Szenen atmosphärisch ein. Der neue Prolog, den er mit Meyer verfasste, in dem ein junges Flüchtlingsmädchen am Rande der Autobahn stirbt, wirkt nicht aufgesetzt, sondern fügt sich in die Erzählung. Die dritte Zusammenarbeit zwischen Autor und Regisseur ist aber auch ein Film über ihre gemeinsame Heimatstadt Leipzig geworden, über die Ränder der Boomtown, die Verlierer der Wende, die einfach weitermachen. Mit einer hervorragenden Besetzung, den ausdrucksstarken Bildern von Peter Matjasko („In den Gängen“) und der Musik von Kat Frankie entstand eine Großstadtballade, deren Takt noch lange nachhallt.


Ein FILMtabs.de Artikel