« | Home | »

See How They Run

Großbritannien 2022, Regie: Tom George, mit Sam Rockwell, Saoirse Ronan, Adrien Brody, 98 Min., FSK: ab 12

„Die Mausefalle“, das am längsten ununterbrochen aufgeführte Theaterstück der Welt, hätte fast nach der 100. Aufführung jede Ambition auf diesen Rekord vergessen müssen. Denn ausgerechnet zur Jubiläumsfeier des Suspense-Bühnenhits im Londoner West End gibt es 1953 einen Mord. Klar, den gibt es allabendlich auf der Bühne des Agatha Christie-Stücks, doch diesmal liegt der bekannte und berüchtigte US-amerikanische Regisseur Leo Kopernick (Adrien Brody) tot in der Kostümabteilung. Während er noch gerade den üblichen Werdegang eines solchen Krimis geringschätzig kommentierte. Denn er soll den Bühnenerfolg für den Erfolgsproduzenten von „African Queen“, John Woolf (Reece Shearsmith), verfilmen. Selbstverständlich nicht so langweilig wie üblicherweise mit Mord, Verhör der vielen Verdächtigen und Gegenüberstellung mit Auflösung in einem einsam gelegenen Landhaus.

„See How They Run“ bietet uns nun genau das: Mord, Verhör der vielen Verdächtigen und Gegenüberstellung mit Auflösung in einem einsam gelegenen Landhaus. Nicht nur in der „Mausfalle“, sondern auch im anderen Falle von Kopernick. Der machte sich allein auf der Jubiläums-Party so viele Feinde, dass Tom Georges Krimi-Komödie ein schieres Vergnügen daran hat, all die herrlich überzeichneten Figuren vorzustellen, zu verdächtigen und zu befragen. War es doch erst die Prügelei mit dem Hauptdarsteller Richard Attenborough (Harris Dickinson), die Kopernick in die Torte und das Büffet fliegen ließ und ihn zum Wechseln der Klamotten in die fatale Kostümabteilung brachte. Auseinandersetzungen über das radikal geänderte Drehbuch gab es mit dem überkandidelten Autoren Mervyn Cocker-Norris (David Oyelowo) schon „Drei Wochen vorher“. Solche Rückblenden mag dieser ebenso wenig wie die anderen Änderungen des Regisseurs. So wenig, dass es sogar eine Morddrohung gab.

Grandios komisch sind die personellen Ergänzungen der üblichen Verdächtigen: Sam Rockwell gibt den Theater-ignoranten Inspector Stoppard, der erst mal den Tatort untersucht – den Tatort des Bühnenstücks! In Splitscreens des Privatlebens beschäftigt sich Stoppard mit Laubsägearbeiten, so wie der einsame Ober-Rechercheur Gibbs aus der Krimi-Serie „NCIS“ im Keller an seinem Boot arbeitet. Während der nicht allzu engagierte und trinkende frustrierte Stoppard in Anflügen von Trotteligkeit an Inspector Clouseau aus „Der rosarote Panther“ oder Rowan Atkinsons „Johnny English“ erinnert, ist Saoirse Ronan als überambitionierte Nachwuchs-Kriminalistin Constable Stalker kaum wiedererkennbar und trotzdem umwerfend komisch. Die clevere Polizistin, die eine wandelnde Film-Enzyklopädie ist, tritt dauernd in Fettnäpfchen, meist wunderbar falsche Formulierungen. „Cherchez la femme, wie die Belgier sagen“. Rockwells Figurenname Stoppard verweist auf die postmodernen, selbstreflektiven Stücke von Tom Stoppard. Da turnen bei „Rosencrantz and Guildenstern are Dead“ beispielsweise Shakespeares Nebenfiguren unter und über der Handlung von „Hamlet“ rum. Das gleiche Prinzip sorgt auch bei „See How They Run“ für den Rahmen, mit dem die uralte Krimi-Handlung aufgefrischt wird. Klasse wird es aber vor allem durch die irrwitzigen Dialoge, die vielen Querverweise und durchgehend exzellentes Schauspiel.


Ein FILMtabs.de Artikel