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Der Nachname
Deutschland 2022, Regie: Sönke Wortmann, mit Iris Berben, Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Justus von Dohnányi, 87 Min., FSK: ab 0
Die ersten zwei Minuten erzählen wie im Serienfernsehen den ersten Film nach. Deshalb auch hier, was bisher im „Nachname“-Vorläufer „Der Vorname“ geschah: Beim Familientreffen kündigte der werdende Vater Thomas (Florian David Fitz) an, sein Kind Adolf nennen zu wollen. Schon beim Aperitif kochte so der Abend bei Schwester Elisabeth (Caroline Peters) und Schwager Stephan (Christoph Maria Herbst) hoch. Letzterer, Germanistik-Dozent und prinzipien-steifer Bildungsbürger, verwies auf diesen Hitler und dass gerade in rechtslastigen Zeiten dieser Name tabu, wenn nicht gar verboten sei. Mit dabei im streitlustigen Familien-Patchwork war der adoptierte Bruder René (Justus von Dohnányi), dessen Liebesbeziehung zur Mutter Dorothea (Iris Berben) am Ende aufflog.
Reichlich Aufregung also und „Der Nachname“ scheint die vier Jahre später mit jeder Pore übertreffen zu wollen: Diesmal findet das disharmonische Familientreffen auf der Insel Lanzarote statt. Mutter Dorothea und Adoptivsohn René haben ins geliebte Familiendomizil geladen und wollen etwas verkünden. Doch schon im Leihwagen dorthin gibt es Streit zwischen dem Ehepaar Stephan und Elisabeth sowie den frisch gebackenen Eltern Thomas und Anna. Also unter den Partnern und auch noch mit dem anderen Paar. Vor allem für Thomas ist es ein Schock, wie René das Landgut verändert hat. Der erste von überbordend vielen Knallern ist dann, dass Dorothea und René ihren Kinderwunsch verkünden. „Mit einer Leihmutter“, legen sie vor den verblüfften Kindern nach. „Aber ohne Reagenzglas“ ist dann der Schlusspunkt der ersten dicken Überraschung. Erst später wird Thomas erfahren, dass die attraktive Tochter der Haushälterin, der er gerade noch nachstellte, lesbisch und die Leihmutter ist.
Dies ist wie gesagt, erst der erste von zu vielen Momenten, die alles auf den Kopf stellen sollen. Nur mit Hilfe von Mutters Haschkeksen, an denen sich bald alle vergreifen, bleibt es zwischendurch mal kurz ruhig. Dass es ja noch eine Heirat gegeben hat und Mami jetzt nicht mehr Böttcher heißt, wäre der nächste Aufreger. Und dann muss für die neue Erbfolge erweiterte Bruchrechnung zu Rate gezogen werden, was sowohl den karrieremäßig geknickten Erbsenzähler Stephan als auch den erektil verklemmten Vielverdiener Stephan brüskieren.
An dem titelgebenden Problem von „Der Nachname“ ist zu erkennen, wie rückständig die an den Haaren herbeigezogenen Streitgründe eigentlich sind. Schon der Schriftzug der Filmtitel sah nach 60er-Jahre aus und dass Frauen nicht den Namen ihres Mannes annehmen wollen, war tatsächlich damals ein Diskussionsthema. Ebenso sind Probleme mit Zugewinngemeinschaften und Eheverträgen aus gutem Grund schon lange nicht mehr auf der Leinwand zu sehen gewesen. Hängt hier Drehbuch-Autor Claudius Pläging noch zu sehr in der Vergangenheit seines „Catweazle“? Auf jeden Fall fehlt der verkrampften Komödie eine eigentliche Substanz. Es wird nur um des Dauerstreitens willens dauernd gestritten. Was im amerikanischen Film als Utopie eines Patchwork-Zusammenlebens interessant gemacht wird, ist hier allein kleinbürgerliches Aufeinanderrumhacken.
Dazu ist alles hochgradig unoriginell: Die letzten Überraschungen waren schon zu früh zu ahnen. Damit es noch komplizierter wird, wird eine Halbschwester aus dem Hut gezaubert. Und auch, dass Stephan seinen beim Hinflug verspäteten Koffer pünktlich zur Abreise wieder bekommen würde, wusste man schon nach fünf Minuten. Das viele Reden bringt zumindest ab und zu einen komödiantischen Treffer. Manchmal funkt es im Dialog, etwa wenn Stephan mit Geldsorgen meint, „diese Privatschulen sehen alle aus wie Hogwarts und zaubern einem das Geld aus der Tasche.“ Deutlich ist „Der Nachnahme“ anzumerken, dass die literarische Vorlage fehlt: „Der Vorname“ war erst ein Theaterstück, bevor er in Frankreich zum Kinoerfolg und von Sönke Wortmann eingedeutscht wurde. Dem biederen Film-Handwerker der deutschen Regie-Garde fiel auch jetzt wieder nichts Bemerkenswertes ein. Symptomatisch, dass nach (wenigstens) gnädig kurzer Laufzeit niemand eine Idee für einen originellen Abspann hatte. Wir sehen nur Aufnahmen des leeren Hauses und der Innenräume. Das sind die lahmsten „outtakes“ in der Filmgeschichte. Und auch der Film hat Chance für Negativ-Hitlisten – trotz der sehr prominenten Darstellerinnen und Darsteller. Es ist nur zu hoffen, dass nicht im Stil der furchtbaren französischen Klamotte um „Monsieur Claude“ weitere Folgen drohen.
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- Publiziert von:
- Günter H. Jekubzik, 18.10.2022 / 10:23
- Rubrik:
- Kritiken GHJ
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